Windkraft-Diskussion in Pfaffenhofen
Soooo viele Menschen hatte das Obergeschoss des Rathaussaales lange nicht mehr gesehen. Die Stadt hatte zur Informationsveranstaltung eingeladen und der Rathaussaal war übervoll, so dass Zuhörer sich vor der Tür drängten und selbst der kleine Sitzungssaal gut besucht war, in den Bild und Ton übertragen wurden.
Dieser Andrang von Interessierten war für Bürgermeister Thomas Herker bei seiner Begrüßung ein Zeichen, dass das Thema Windkraftanlagen (WKA) die Menschen bewegt. Er bat die Besucher, die Diskussion sachlich zu führen und sich alle Meinungen anzuhören. Als Moderator fungierte Prof. Dr. Manfred Miosga von der Beratungsgesellschaft Klimakom, einer Kommunalberatungsgenossenschaft, die sich die Aufgabe gestellt hat, Kommunen bei der Energiewende vor Ort zu beraten und Bürger-Beteiligungsprozesse zu begleiten.
Als erstes stellte Florian Zimmermann von der Stadtentwicklung Pfaffenhofen den gesamten Prozess der Teilflächenplanung Windkraft des Landkreises vor sowie die Ergebnisse für die Stadt Pfaffenhofen und den Zeitplan für das weitere Vorgehen beim Antrag der Bürgerenergiegenossenschaft für die drei zusätzlichen Windräder und das Ratsbegehren, sofern der Stadtrat dies am 28. Juli beschließt. Er ging dabei auch auf mögliche Festsetzungen eines Bebauungsplans ein sowie die zweifache Beteiligung von Bürgern und Behörden im Verfahren.
Andreas Herschmann, Bürgerenergiegenossenschaft eG
Andreas Herschmann, Vorstandsvorsitzender der Bürgerenergiegenossenschaft nutzte die Gelegenheit, als Antragsteller der Windräder auf die Ziele der Genossenschaft und die technischen Punkte der Anlagen einzugehen, dabei stand sein Vortrag unter dem Motto "Soviel wie nötig, so wenig wie möglich". Der Antrag für 3 WKA sei am 6.5.2016 bei der Stadt eingereicht worden, obwohl der Teilflächennutzungsplan Windenergie noch sieben Windräder zulasse, und der Bauausschuss der Stadt habe die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschlossen. Es sei eine Leistung von 9 kW durch die Anlagen zu erwarten, wobei je Windrad gut 2500 Haushalte mit Strom versorgen könnten. Bei den derzeitigen erneuerbaren Energieanlagen der Bürgergenossenschaft würden schon 6400 Haushalte mit Strom versorgt. Außerdem haben die Windräder (Nabenhöhe 159 m) getriebelose Rotoren, die bei hörbarem Schall die Grenzwerte unterschreiten sowie keinen Infraschall verursachen würden, und die Rotorblätter (Durchmeser 141 m) seien beheizt, so dass kein Eiswurf entstehen könne. Außerdem hätten die Windräder eine eingebaute Sensorik, die Schattenwurf durch Abschaltung verhindere. Zudem würden die benötigten Waldflächen nach den Arbeiten an den Windrädern wieder aufgeforstet – jeder gefällte Baum werde ersetzt.
Das Windrad im Lustholz sei nach den Einstellarbeiten seit Mai im Regelbetrieb, und die Energiegenossenschaft habe bei ihren finanziellen Berechnungen sehr konservativ kalkuliert, so dass investierende Bürger nicht um ihr Geld fürchten müssten. Pfaffenhofen wäre mit diesen Windrädern auf dem Weg zur Stromautarkie, denn deutschlandweit würden über 1 Mrd. Euro allein für Stromimporte ausgegeben. Durch die Windräder in Pfaffenhofen bleibe die Wertschöpfung in der Region, die Genossenschaftsmitglieder – und damit die Bürger – hätten vor Ort ein demokratisches Mitbestimmungsrecht in der Genossenschaft und die Stromkonzerne würden nicht abkassieren. Aber die Windräder seien kein Projekt aus finanziellen Beweggründen, denn die fossilen Energien gingen langfristig zur Neige und die Atomkatastrophen hätten gezeigt, wie gefährlich diese Stromproduktion sei.
Prof. Dr. Caroline Herr
Die Medizinerin, Frau Prof. Dr. Carolin Herr vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, ging in ihrem Vortrag auf das Thema "Infraschall" ein und führte aus, dass es derzeit keine Studien gebe, die gesundheitliche Schädigungen durch Infraschall von WKA nachweisen würden. Dabei ging sie auf die verschiedenen Wirkungen von hörbaren und nichthörbaren Schallwellen (unter 20 Hertz) ein, wobei Hörschall bereits sehr umfangreich geregelt sei, was aber bei nicht hörbarem Schall noch nicht so weit sei. Der Infraschall bei einer Entfernung von 120 bis 300 m liege unter der Wahrnehmungsschwelle; bei einem Abstand von 700 m erhöhe sich der Schall durch Anschalten der Anlage nicht nennenswert. Sie gestand aber ein, dass schon allein die visuelle Wahrnehmung eines Windrades in der Umgebung zu Unwohlsein führen könne, obwohl kein Schall wahrgenommen werde. Außerdem sei der Pegel tieffrequenter Geräusche des Straßenverkehrs signifikant höher als in der Umgebung von Windrädern.
Prof. Dr. Manfred Miosga
Nach den Vorträgen hatten die Besucher dann die Möglichkeit, Fragen, Kritik/Bedenken, Anregungen/Kommentare auf Karten zu notieren und an Pinwänden anzubringen. Das führte dazu, dass die Pinnwand mit Kritik relativ gering bestückt wurde (24 Kärtchen), die für offene Fragen dafür um so mehr (35 Kärtchen). Auf dem dann folgenden Podium gingen die anwesenden Experten auf die von Moderator Miosga vorgelesenen Kärtchen ein. So gebe es zwar ein Verbot, Schwangere im Bereich von Infraschall zu beschäftigen, doch das gelte vor allem dem werdenden Kind im Fruchtwasser, weniger für die Frau selbst, denn sonst dürfte sie sich auch nicht draußen bei Wind aufhalten, betonte der Medizinerin.
Die Frage, warum man nicht erst einmal die Ergenisse von Infraschallstudien abwarte, liege daran, dass es umfangreiche Studien benötige, die schwer zu erstellen seien, da dies nur in Laborversuchen unter Ausschaltung anderer Einflussfaktoren möglich sei. Alexandra Schönauer vom Landratsamt ging auf die rechtlichen Kritierien ein, die bei der Genehmigung von Windrädern zu beachten seien und dass für verschiedene Fragestellungen Gutachten eingeholt würden. Nadja Fischer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ging auf den Vorwurf ein, zu viel Wald werde für Windräder geopfert. Sie betonte, dass Wiederaufforstungen vorgeschrieben werden und dass Genehmigungen für Rodungen immer mit dem Einvernehmen des Naturschutzes erfolgten. Richard Mergner vom Bund Naturschutz dankte der Stadt für die sachliche Auseinandersetzung zum Thema "Windkraft", die nicht überall so üblich sei. Er ging auch auf die politische Diskussion der Energieerzeugung ein und stellte die Windenergie in den Gegensatz zur unmenschlichen Kohleproduktion in Kolumbien, den Uranabbau oder die Braunkohleförderung in Deutschland, die laufend Dörfer verschwinden lasse. Er habe zwar Verständnis für gewisse Ängste, nur dürfe man jetzt nicht plötzlich den "Roten Milan" entdecken und als Argument vorschieben. Bei der Frage, ob denn im Außenbereich Menschen II. Klasse wären, konnte Florian Zimmermann nur auf die TA Lärm verweisen, die für unterschiedliche Baugebiete (Dorf, Wohngebiet, Mischgebiet) unterschiedliche Lärmwerte festlegten. Bürgermeister Thomas Herker ergänzte, dass es nur "Pfaffenhofener" gebe, egal wo sie wohnten, aber dass es auch in anderen Bereichen Belästigungen für die Bürger gebe, sei es ein Spielplatz, eine Kläranlage oder Straße. "Man kann es eben nicht allen Bürgern recht machen".
die Experten-Runde, von links: Richard Mergner BN, Nadja Fischer Amt f. Ernährung Landwirtschaft und Forsten, Thomas Zirngibl TÜV Süd, Florian Erdle Rechtsdirektor, Stadt PAF, Florian Zimmermann Stadt PAF, Prof. Dr. Claudia Herr Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelüberwachung, Alexandra Schönauer Landratsamt PAF, Dr. Sebastian Brandmayr Stadtwerke PAF
Florian Zimmermann ergänzte, dass die 10H-Regel sogar durch Bebauungspläne unterlaufen werden könne, deshalb sei der Teilflächennutzungsplan des Kreises sogar noch besser, da sonst Außengebiete keinen Schutz hätten. Erbost reagierte BN-Vertreter Mergner auf die Unterstellung, der Bund Naturschutz erhalte für jede Windkraftanlage Gelder und betonte, dass es keinerlei Sponsering des BN von Windanlagenbauern gebe. Andreas Herschmann wies auch noch einmal darauf hin, dass die Energiekonzerne früher mit 15 bis 20 Prozent Gewinn geplant hätten, die 3 Prozent, die die Bürgerenergiegenossenschaft anbiete, sei dagegen lächerlich gering, zeige aber auch, dass die großen Stromkonzerne nie Interesse an erneuerbaren Energien gehabt hätten. Die Frage, was passiere, wenn die Bürger beim Ratsbegehren die Windräder ablehnen würden, beantwortete Florian Zimmermann, dass dann die Politik entscheide, zum Beispiel dass dann der Bebauungsplan "eingestampft" werde. Die Frage nach Ausgleichszahlungen für Landschaftsbeeinträchtigungen wurde dahingehend beantwortet, dass diese Gelder in einen Landesfonds fließen, mit dem Ausgleichsmaßnahmen finanziert würden. Zum Abschluss dankte ein Bürger für die sachliche und informative Veranstaltung, die er woanders so nicht erlebt habe. Dazu gab es einen Widerspruch einer jungen Streitdorferin, die bei einer Info-Veranstaltung eigentlich auch Vertreter der Kontra-Seite als Podiumsgäste gesehen hätte, die aber nicht eingeladen worden seien.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.