Erst die Zecken, jetzt auch noch Mücken und Fliegen
(Pfaffenhofen, rt)Gras- und Heckenlandschaften bergen Borreliose-Gefahr durch Zecken. Aber nach neuesten Erkenntnissen auch durch Mücken.
Mit dem beginnenden Frühjahr und dem damit verbundenen Temperaturanstieg steigt die Aktivität der Zecken, die nach Monaten der Ruhe allmählich immer munterer werden. Zecken gelten unter anderem als gefürchtete Überträger der Lyme-Borreliose. Doch nach nunmehr gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen können diese Infektionskrankheit auch Mücken übertragen.
Wissenschaftler des Senckenberg Forschungszentrums für Biodiversität und Klima (BiK-F) konnten erstmalig Borrelien auch in deutschen Stechmücken nachweisen. Die drei identifizierten Arten der Bakterien können beim Menschen die Multisystemerkrankung Lyme-Borreliose auslösen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie weisen die Forscher außerdem nach, dass die Krankheitserreger die Umwandlung der Mückenlarve zur Puppe und schließlich zum erwachsenen Tier überleben.
Alarmsignal Hautrötung
Wenn die kreisrunden, roten Verfärbungen auf der Haut ins Auge fallen, schrillen nach einem Zeckenstich die Alarmglocken. Die sogenannte „Wanderröte“ ist eines der wenigen klaren Anzeichen für eine Borreliose-Infektion. „Obwohl die Lyme-Borreliose in Europa als die häufigste vektorübertragene Krankheit gilt und schwere Schäden verursachen kann, sind Daten bezüglich ihrer Verbreitung sowie den Ursachen und Folgen nur unzureichend vorhanden“, erklärt Professor Sven Klimpel vom BiK-F und der Goethe Universität Frankfurt und fährt fort: „Dies liegt vor allem daran, dass eine Meldepflicht von Borreliose nur in wenigen Staaten besteht und die Grundlagen der Meldepflichten nicht einheitlich sind.“
Mücken und Zecken als Überträger
Die geschätzten Neuerkrankungen an Lyme-Borreliose schwanken deutschlandweit stark und bewegen sich jährlich zwischen 40.000 und 214.000 Personen, die sich mit den Erregern der Multisystemerkrankung anstecken. In Bayern gilt jedoch für behandelnde Ärzte eine Meldepflicht der Lyme-Borreliose bereits seit dem 1. März 2013, um weitere Erkenntnisse zum Vorkommen und zur regionalen Verteilung dieser Erkrankung zu gewinnen. Laut den aktuellen Zahlen aus dem Pfaffenhofener Gesundheitsamt erkrankten in den Jahren 2014 genau 30 Personen, 2015 waren es 23 Fälle und im laufenden Jahr sind es bislang drei.
Als allgemein bekannter Überträger (Vektor) des Borreliose-Erregers gilt hierzulande der Gemeine Holzbock aus der Familie der Schildzecken. Als sogenannte Reservoirwirte werden Nagetiere wie Mäuse aber auch Vögel genutzt. Vor dem Hintergrund, dass auch in weiteren Arthropoden wie Bremsen, Flöhen oder Kriebelmücken vereinzelt Borrelien-Erreger gefunden wurden, - die Deutsche Gesellschaft für Neurologie weist ebenfalls in ihren Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie darauf hin, dass aber auch „sehr selten möglicherweise auch fliegende Insekten“ wie Pferdebremsen eine Infektionsquelle sein könnten - hat das Wissenschaftlerteam rund um Professor Klimpel die Mücken auf ihr Übertragungspotential hin untersucht. Der Parasitologe sagt hierzu: „Mücken sind bekannte Überträger zahlreicher Infektionserreger wie beispielsweise Malaria, Dengue-Virus oder auch des aktuell grassierenden Zika-Virus. Wir wollten überprüfen, ob die Insekten theoretisch auch Borreliose-auslösende Borrelien übertragen können.“
An vielen über das gesamte Bundesgebiet verteilte Fangstandorten haben die Wissenschaftler im Jahr 2013 von April bis Oktober Stechmücken gefangen. Zehn verschiedene Stechmückenarten aus vier Gattungen an elf Standorten - in Oberbayern waren dies Wielenbach und Haarsee im Landkreis Weilheim-Schongau - trugen Borrelien in sich. „Wir haben bestimmte Borrelien-spezifische Gene mit molekularbiologischen Methoden nachgewiesen und konnten so die Borrelien-Arten Borrelia afzelii, Borrelia bavariensis und Borrelia garinii identifizieren“, ergänzt Klimpel. Alle drei Borrelien-Arten sind humanpathogen und gelten in Deutschland sowie Europa als die bedeutendsten Erreger der Lyme-Borreliose.
Kein Grund zur Panik
In ihrer Studie konnten die Parasitologen zudem erstmalig in wildgefangenen und unter Laborbedingungen geschlüpften und aufgezogenen Stechmücken Borrelien-DNA nachweisen. „Dass wir die DNA der Erreger auch in den aufgezogenen Mücken gefunden haben, ist erstaunlich und zeigt, dass die Borrelien die Umwandlung der Larve zur Puppe und schließlich zum ausgewachsenen Tier überdauern können“, erläutert Klimpel.
Bei den untersuchten Mücken lagen die Befallshäufigkeiten mit den Borrelien-Erregern zwischen 0,13 und 8,33 Prozent – bei der Rheinschnake zum Beispiel bei 0,3 Prozent, bei der häufigen Stechmückenart Aedes cataphylla bei 11,1 Prozent.
„Es besteht aber kein Grund zur Panik“, beruhigt Klimpel und sagt: „Nach unserem derzeitigen Erkenntnisstand sind Stechmücken als Überträger der Lyme-Borreliose auslösenden Erreger nur bedingt geeignet. Wenn überhaupt, spielen sie eine eher untergeordnete Rolle.“
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