Wer sind die Aleviten und woran glauben sie?
(Mainburg, sh)
In Zeiten, in denen religiöse Andersartigkeit oft Angst hervorruft und die Integrationsdebatte präsenter als je zuvor scheint, ist Toleranz durch Aufklärung besonders wichtig. Unter dem überspannenden Titel „Alewiten - Eine Lebens-und Glaubensgemeinschaft in Deutschland“ lud die Alevitengemeinde Mainburg kürzlich zu einem Vortrag, um allen interessierten Bürgern einen Einblick in ihre Glaubensgemeinschaft zu gewähren und mit ihnen in Austausch zu kommen.
Als Referenten hatte die Alewiten Gemeinde aus Mainburg kürzlich Herrn D. Ugur Kör, Koordinator des Alewitischen Religionsunterrichtes in München gewinnen können, der sowohl über die wichtigsten Eckpfeiler der Glaubenslehre als auch über die Alevitische Gemeinschaft in Deutschland und ihren Bezug zum Islam sprach. Im Anschluss an den gut zweistündigen Vortrag luden die Mitglieder der Gemeinde zum türkischen Buffet und zum gemeinsamen Austausch.
Zu den Gästen zählten Bürgermeister Josef Reiser, die beiden Stadträte Niedermeier (SPD) und Maier (FW), Heidi Pfundt von der Fraunenunion (CSU) und sogar der Bundestagsabgeordnete Florian Oßner (CSU) schaute vorbei. Neben vielen türkischen Mitgliedern waren auch Stadtpfarrer Josef Paulus sowie die Rektoren Niemetz und Seidl vertreten.
Seit nunmehr 20 Jahren ist die Aleviten Gemeinde mit insgesamt 55 Mitgliedern fester Bestandteil von Mainburg. In ihren wöchentlichen Gottesdiensten (Cem), die sie - im Unterschied zu Muslimen – nicht in der Moschee abhalten müssen, gehört Musik und der rituelle Tanz "Semah" als wichtiges Glaubenselement wesentlich dazu.
Der bekannte Mainburger Musiker Yusuf Eröksüz demonstrierte zu diesem Zweck allen Anwesenden auf seiner türkischen Gitarre, was mit dem „singenden“ Koran gemeint ist. Danach wurde das Wort an Ugur Kör übergeben. Der Referent erwies sich als echter Experte und konnte somit viele Fragen der interessierten Bürger klären.
Die Aleviten sind eine islamische Glaubensgemeinschaft, die sich in ihren Glaubensvorstellungen und religiösen Praktiken stark von den „orthodoxen“ Muslimen (Sunniten, aber auch von den meisten Schiiten) unterscheidet. Aleviten fasten nicht im Ramadan und der Koran spielt bei ihnen keine tragende Rolle.
Sie verehren ganz besonders Ali, Muhammads Cousin und Schwiegersohn, und seine Nachfolger, die zwölf Imame. Ihr Name bedeutet wörtlich „Ali-Anhänger“.
In den 70er Jahren kam es zum Zusammenschluss türkischer Arbeiterbündnisse zu Alewiten Vereinen; über die soziale wie kulturelle Ebene fand die Vereinigung zu religiösen Verbänden statt.
Doch wo steht die alevitische Gemeinde innerhalb der islamischen Community? „Für viele sind wir ein Hoffnungsschimmer, dass der Islam doch noch demokratisch ist“, sagt Kör. „Aber wir haben eine völlig unterschiedliche und eigenständige Glaubenslehre“. Alewiten gehen mit religiösen Vorschriften, die viele Muslime für verbindlich halten, liberal um.
Als einziger islamischer Verband mit Gründungsgeschichte in Deutschland haben sich die Mitglieder nicht aus dem Herkunftsland heraus solidarisiert, darum herrscht ein geringerer Bezug zum Heimat-Islam. Es wird beispielsweise nicht gefastet, Frauen tragen kein Kopftuch und der Koran spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Im Zusammenhang mit den anhaltenden Integrationsfragen fühlen sich die Aleviten „herzlich wenig betroffen“. Von ihrer Identität her eher zu Deutschland zugehörig, stellen sie aufgrund Ihres religiösen Gebots, aktiv an der Mehrheitsgesellschaft zu partizipieren, in vielen Fällenund ein Idealbeispiel für gelungene Integration dar.
Auch aus der interessierten Runde kamen einige Fragen. So z.B. ob es bei den Alewiten Märtyrertum gäbe, was von dem Referenten Kör mit einem klaren „Nein“ beantwortet wurde. Ein anderer wollte wissen, ob Alewiten mit Andersgläubigen den Bund der Ehe eingehen dürfen, was nach den Worten von Kör möglich sei, da es keine Glaubensunterschiede gäbe.
Auf die abschließende Frage, wie Bürgermeister Sepp Reiser die Aleviten Gemeinde in Mainburg wahrnimmt, antwortete dieser: „In Mainburg gibt es rund 70 Nationen und ich wertschätze jede einzelne davon.“ Das wichtigste Stichwort in unserer Zeit laute ihm zufolge „Toleranz“.
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