Fragen Sie einfach nach dem Mann im Tresor
(Pfaffenhofen, rs)Tja, so kann es einem ergehen in unserer Zeit voller Technisierung und Automatisierung: eingesperrt für mindestens eine Nacht im zeitschloss-gesteuerten Tresorraum einer Bank. Zeit genug für Claus von Wagner alias Klaus Neumann, sich über die Situation in unserer Gesellschaft, der Weltpolitik, ganz besonders aber der Finanzwelt Gedanken zu machen. Ein Kabarettist der allerersten Garde war am Donnerstagabend zu Gast im Stockerhof.
Es war die letzte Veranstaltung im diesjährigen Abo der "BrotZeit & Spiele"-Reihe von Wolfgang Ramadan. Luise Kinseher war u.a. dabei, Han's Klaffl und Helmut Schleich. Und jetzt - sozusagen als goldener Abschluss - eben Claus von Wagner. "Als wir den Termin ausgemacht haben, hätte ich niemals gedacht, dass Claus von Wagner so ein Superstar werden würde", erinnerte sich der Impresario in seiner Ankündigung. Tatsächlich muss man dem Münchener Kabarettisten mit norddeutschen Wurzeln einen immensen Aufstieg attestieren. Bekannt aus Funk ("Das Tagebuch des täglichen Wahnsinns" in Bayern 3) und Fernsehen ("Neues aus der Anstalt" im ZDF) heißt es in solchen Fällen wohl passenderweise.
"Theorie der feinen Menschen" heißt das Programm, es ist eine Geschichte über Finanzmärkte, Bankenkrise und Wirtschaftsverbrechen, aber auch Familie, die Bedeutung des Geldes in der Gesellschaft und aktuelle Krisenherde auf unserer Welt. Eine große Bandbreite also, die sich von Wagner auferlegt hat. Den Bogen spannt er weit, anfangs versucht der Besucher angestrengt, Zusammenhänge zwischen einzelnen Szenen herzustellen; schließlich wird aber deutlich, dass der Künstler - sprachgewandt und beeindruckend sicher in seiner Terminologie der Fachbegriffe aus der Finanzwelt - die Häppchen zuvor nur ausgelegt hat, um sie zu einem passenden Ganzen zusammen zu fügen.
Die Geschichte an sich ist einfach: Bankkunde Klaus Neumann wurde bei der Sichtung des Schließfachs seines verstorbenen Vaters vergessen, als das Zeitschloss unweigerlich zusperrte. So bleibt ihm viel Zeit, über sein persönliches, eigentlich niemals existentes Verhältnis zu seinem Vater nachzudenken wie auch über dessen Wirken in einer Wirtschaftsprüfungsfirma mit all ihren Mauscheleien in der großen Welt der Bänker und Finanzhaie. Einen Nachruf müsse er erstellen über jemanden, der ihm trotz der familiären Nähe scheinbar so fremd geblieben sei. Einmal, da könne er sich erinnern, er war damals gerade 10 Jahre alt, sei sein Vater doch tatsächlich mit ihm zum Eis essen gegangen. Ansonsten seien ihm die Familiengerichte präsent, über die autoritär entschieden wurde, was die Regeln im Hause Neumann zu sein haben.
"Schreiben Sie mal etwas über jemanden, dessen größtes Hobby es offensichtlich war, Excel-Tabellen zu verschicken", spannt Claus von Wagner den Bogen zur Profession des Verstorbenen. Über die Sichtung von Emails seines Vaters - mit ganz offensichtlich wirtschaftskriminellen Inhalten - und Artikeln aus einer Financial Times-Ausgabe werden Bankenkrise, Gesetzeslücken in Anlagegeschäften und die rechtlich nicht greifbaren, moralisch aber zweifelhaften Methoden bei der Gewinnung von Kleinanlegern an den Pranger gestellt. "Die ganze Finanzwelt ist wie ein großes Puzzle: 5000 Teile ... und als Motiv ein blauer Himmel."
Aus seinem zentralen Thema Finanzen heraus findet der studierte Kommunikationswissenschafter, Medienrechtler und Historiker immer wieder Spitzen in Richtung tagesaktueller Themen. TTIP, die Griechenland-Krise, die terroristischen Attentate der jüngsten Zeit ("Weshalb bombardieren wir eigentlich Syrien? Die Attentäter kommen doch erwiesenermaßen aus Belgien und Frankreich.") und natürlich auch die Situation der Flüchtlinge (seine Forderung nach bezahlbarem Wohnraum gerade auch angesichts der hohen Flüchtlingszahlen in unserem Land vergleicht er dabei mit Politiker, die mit Flipflops in die Alpen zum Bergsteigen gehen und sich nach einem daraus resultierenden Unglück darüber beschweren, dass der Rettungshubschrauber der Bergwacht so teuer ist).
"Sie klingen interessiert, das freut mich", bedankt sich Claus von Wagner nach einem der immer wieder aufkeimenden Beifallskundgebungen seines begeisterten Publikums. Der Auftritt war ganz sicher der passende Abschluss eines kabarettistischen Veranstaltungsjahres, das im nächsten Jahr an gleicher Stätte seine Fortsetzung finden wird. Beginnen wird die Reihe 2016 dann mit Christian Springer am 15. Januar, weitere Veranstaltungen folgen mit Senkrecht & Pusch, Quadro Nuevo, Han's Klaffl, Phillip Weber und Simone Solga.
Veranstalter: www.wolfgang-ramadan.de
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