Wolf bei Bürgerversammlung: Menschlich miteinander umgehen
(Baar-Ebenhausen / Reichertshofen, rt)Stellten sich den Bürgerfragen zur Flüchtlingsproblematik: Landrat Wolf (l.), Bürgermeister Wayand.
Sachlich und ruhig verlief die gestrige Bürgerversammlung Asyl in der mit interessierten Bürgern nicht ganz voll besetzten Baar-Ebenhausener TSV-Sporthalle. Bürgermeister Ludwig Wayand (CSU) erläuterte den aktuellen Stand in Sachen Zuwanderung in den Ort und am Rande der Veranstaltung wurde bekannt, dass es am kommenden Donnerstag in Vohburg eine weitere Bürgerversammlung Asyl geben soll.
Wie bereits bei den vergangenen vier Bürgerversammlungen zu denen Pfaffenhofens Landrat Martin Wolf (CSU) in einer deutschlandweit wohl einmaligen Aktion die Bürger des Landkreises eingeladen hatte, standen die allgemeinen Fragen zur Asylpolitik und dem Procedere im Umgang mit Asylbewerbern auf Kommunalebene im Vordergrund der Fragen. Wolf sagte in die Thematik einführend, dass „spannende und harte Wochen vor uns liegen.“ Passieren dürfe es in der jetzigen Situation allerdings nicht, dass Politik und Bevölkerung auseinanderbrächen.
Angesichts des relativ überschaubaren Auditoriums bemerkte Wayand, dass in seiner Gemeinde und offenbar auch in der Nachbargemeinde Reichertshofen - von wo sich neben Bürgermeister Michael Franken (JWU) auch viele Gemeinderäte und Bürger unter die Zuhörern mischten – die Asylfrage „gut gelebt wird“ und es vermutlich deshalb zu keinem Ansturm der Bürger gekommen sei. In Baar-Ebenhausen, so Wayand weiter, gebe es aktuell weitere sieben Objekte, die per Unterschrift beider Vertragsparteien für die Unterbringung von Asylbewerbern gesichert seien. Dort könnten bis Weihnachten 88 bis 90 Asylbewerber einziehen. Insgesamt werde sich die Zahl der Flüchtlinge in der Gemeinde bei 100 einpendeln. Im kommenden Jahr wolle der Bürgermeiste in ein Bauleitverfahren einsteigen und Wohnraum schaffen, der auch einen späteren Bedarf decken könnte, der durch Obdachlose entstehen könnte. Der Hintergrund dazu ist, dass Asylbewerber, die als asylberechtigt anerkannt werden und dann weiterhin in der Kommune bleiben, Wohnraum im Rahmen der für jeden Bürger geltenden Sozialhilfe zur Verfügung gestellt werden muss. Aufgrund der derzeit noch niedrigen Anerkennungsquote kann dieser Personenkreis im hiesigen Landkreis noch in den Asylbewerberunterkünften bleiben. Andernorts ist das jedoch bereits nicht mehr der Fall.
Kompetent besetztes Podium in der TSV-Sporthalle.
Im Zusammenspiel mit Reichertshofen seien etwa hinsichtlich Schule und Kindergarten alle Voraussetzungen getroffen, dass auch in der Folgebetreuung der Flüchtlinge alle einen Platz finden. Wayand betonte, mit allen neu ankommenden Flüchtlingen in regelmäßigen Abständen persönlich im Gespräch zu bleiben. Ab dem 1. Januar des kommenden Jahres werde eine Halbtagsstelle in der Gemeinde mit einem neuen Mitarbeiter besetzt, der sich nur um die örtlichen Asylangelegenheiten kümmern werde und somit auch den Helferkreis mit gegenwärtig 36 Personen unterstützt.
Wolf sagt neue Bildungsschiene voraus
Die Fragen aus dem Publikum betrafen unter anderem die durch Flüchtlinge entstehenden Kosten. Sonja Schweitzer, Abteilungsleitern Soziales und Allgemeine Rechtsfragen im Landratsamt, rechnete vor, dass ein Asylbewerber neben der Unterkunft inklusive der Nebenkosten wie Strom und Heizung monatlich noch folgende Leistungen bekommt: Ernährung 141,85 Euro, Kleidung 33,57 Euro, Gesundheit/Körperpflege 7,19 Euro und für persönliche Bedürfnisse wie Telefon oder Fernseher 143 Euro. In Summe also 385,61 Euro pro Erwachsenem. Für Kinder und Jugendliche gebe es jedoch andere Sätze. Bei einer Familie mit zwei Kindern kämen beispielsweise rund 1115 Euro zusammen. Damit bliebe die Familie knapp unter dem Satz der Sozialhilfe. Hinzu komme dann noch die Leistung im Gesundheitswesen, die der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche. Für Wohnraum, so Schweitzer, würden im Landkreis pro Quadratmeter zwischen sieben und acht Euro ortsübliche Miete bezahlt. Wobei Asylbewerber sieben Quadratmeter Wohnfläche pro Person zustünden. Landrat Wolf wies darauf hin, dass auch ein Asylbewerber nicht unter das Existenzminimum fallen dürfe. Doch wenn „jemand die Spielregeln verletzt, dann gibt es jetzt die gesetzliche Grundlage, dass wir an das Taschengeld herangehen.“ Gleichzeitig warb Wolf dafür mit den Flüchtlingen menschlich umzugehen. Eine anspruchsvolle Aufgabe werde es noch werden, den Menschen, die dauerhaft in Deutschland blieben, eine Zukunftsperspektive zu bieten. Eines der Hauptprobleme sei im Ausbildungsbereich etwa, bei Prüfungen theoretisches Schulwissen in gleicher Zeit wie die Mitbewerber nachzuweisen. „Wir müssen eine neue Bildungsschiene aufbauen, unter dem regulären Ausbildungsniveau.“ Der Schlüssel erfolgreicher Integration bleibe auch hier der Spracherwerb.
Polizei: Weißer Fleck Baar-Ebenhausen
Vom Leiter der Geisenfelder Polizeiinspektion, Norbert Bachmaier, wurde nach einer entsprechenden Frage aus den Zuhörerreihen die Gemeinde Baar-Ebenhausen als „weißer Fleck auf der Landkarte “ polizeilicher Einsätze im Zusammenhang mit Asylbewerbern bezeichnet.
Eines der weiteren angesprochenen Themen betraf auch die Beschäftigung von Asylbewerbern im privaten Bereich. Da dies vielerlei Aspekte in sich birgt, beispielsweise beim Haftungsrecht, versprach der für Sicherheitsfragen zuständige Landratsamts-Abteilungsleiter Niklas Hafenrichter, sich darüber kundig zu machen und die Ergebnisse zu veröffentlichen.
Was die haupt- und ehrenamtliche Betreuung der Asylbewerber angeht, sieht Caritas-Bereichsleiterin Gabriele Störkle noch keinen wirklichen Engpass. Natürlich brauche und suche man weiteres Personal. Dies sei tatsächlich auch noch zu finden, merkte Wolf an, der für das Landratsamt künftig ebenfalls nach geeigneten Bewerbern Ausschau halten muss, insbesondere nach Sozialpädagogen. Und auch Gabi Blumhofer vom Baar-Ebenhausener Asylhelferkreis kommt mit ihrem Team gegenwärtig ganz gut mit den anspruchsvollen Anforderungen zurecht. Dennoch freut sie sich natürlich über weitere Bürger, die bei der Betreuung von Asylbewerbern mithelfen wollen. Wie die Zukunft aussehen wird, das konnte naturgemäß niemand auf dem Podium beantworten. Wolf setzt auf die „Besonderen Aufnahmezentren“, wovon eines nun auch in der Oberstimmer Kaserne eingerichtet ist.
Oberstimmer Joker
Darin sieht der Landkreischef auch einen „Joker“, was die Zuweisungszahlen für den Landkreis betrifft, denn die dort auf Landkreisgelände untergebrachten Asylbewerber mit praktisch kaum einer positiven Bleibeprognose werden voll auf die Landkreisquote unterzubringender Flüchtlinge angerechnet. Damit könnte am Landkreis Pfaffenhofen auch jener Kelch vorübergehen, der andernorts bereits viele Gemüter beunruhigt, nämlich die Belegung von Turnhallen. Jedoch sieht auch Wolf für die Zukunft nicht, dass die gültige Zuteilungsquote nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel zu schaffen ist, wenn er die Drei-Prozent-Marke einmal überschreiten sollte. Die Frage einer Bürgerin, wie es denn dann weitergehen solle, musste freilich rhetorisch bleiben. Denn darauf kann selbst der Landrat zum jetzigen Zeitpunkt keine Antwort geben.
Am kommenden Donnerstag, 19. November, steht - kurzfristig anberaumt - um 19 Uhr noch eine weitere Bürgerversammlung Asyl an. Und zwar ist diese in Vohburg im dortigen Kulturstadel und wird wieder von Bernhard Mahler moderiert. Wie bei den bisherigen Veranstaltungen auch, können sich die Bürger zur aktuellen Flüchtlingssituation informieren, Fragen stellen und ihre Meinung äußern. Gastgeber und einer von mehreren Gesprächspartnern auf dem Podium ist auch dort wieder Pfaffenhofens Landrat Martin Wolf.
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