Best of Lesezeichen - 15 Jahre in 2 1/2 Stunden
(Rohrbach, rs)Einen Querschnitt durch die deutschsprachige Literatur, hintergründig und pointiert, anregend und nachdenklich stimmend, erlebten die Besucher der Rohrbacher Incontri-Halle am Samstagabend. "Best of ... Lesezeichen" stand auf dem Programm, und denjenigen, die die Gruppe seit ihrem Start begleiten, kamen die Erinnerungen zurück an all die Themen, die sich Lorenz Kettner und seine Mit-Vorleser vorgenommen hatten.
Ob die immer wieder eingestreuten Aphorismen oder die vorgetragenen Auszüge aus Poesie, Theater oder Kabarett - die selbst gestellten Themen werden von der Gruppe Lesezeichen auf den Punkt gebracht. Selten bleibt es dabei ernst, zumeist steht der Lacher am Ende der jeweiligen Passage, ohne jedoch dabei das Hintergründige, das Satirische oder auch das Absurde zu vernachlässigen.
"Viel Spaß für die nächsten zweieinhalb, drei, vier Stunden", wünschte Lorenz Kettner dem Publikum zu Beginn. "Die nächsten zwei Jahre werden dabei schon in zwei Minuten vorbei sein." Von "Alles Theater!" (2003) bis zu "Auf Amerika!" und "Abschied" (beide 2014) - seit 13 Jahren nun schon sorgt das Lesezeichen Ensemble für eine volle Kulturwerkhalle. Bei dieser "Best of"-Lesung waren neben Lorenz Kettner noch Moira Grohé und Nora Sailer sowie - grandios in Peter Frankenfelds "Ferngespräch mit dem Nachwuchs" - Christian Weigl (Bild rechts) dabei. Musikalisch treffend untermalt wurde die Lesung wie immer bei Incontri durch "Kapellmeister, bitte." Christian Willisohn.
Einige Kostproben aus den zitierten Texten gefällig? "Tänzerinnen haben die Sexualität in den Beinen, Tenöre im Kehlkopf. Darum täuschen sich die Frauen in den Tenören und die Männer in den Tänzerinnen." (Karl Kraus) oder " Die Dicken leben zwar kürzer, aber sie essen länger." (Stanislaw Jerzy Lec). Interessant auch Albert Einsteins Erläuterung zur Relativität: " Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität."
Grammatik-Nachhilfe gab es dann auch noch für jedermann in Form von Christian Morgensterns gewöhnungsbedürftiger, aber nur logischer Deklination "der Werwolf", "des Weswolfs", "dem Wemwolf" und "den Wenwolf" , bevor das Incontri bei "Schnucki, ach Schnucki, foahr' ma nach Kentucky! - In der Bar Ould Schetterhend, da spielt a Indianerbend!" zu singen begann. Jetzt bleibt dem Verfasser dieses Berichts nur noch zu hoffen, dass ihn der Aufruf aus der Zugabe der Gruppe Lesezeichen nicht treffen möge; es handelte sich dabei um Goethes "Der Rezensent", auch mit dem Hinweis "Zur Warnung" versehen:
...
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
Über mein Essen zu räsonieren:
„Die Supp hätt können gewürzter sein,
Der Braten brauner, firner der Wein.“
Der Tausendsackerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.
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