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… und täglich grüßt das Protokoll – unerwartete Einblicke

(Wolnzach, hr)

Zur reinen Nebensache wurde bei einer Diskussion, die über eine Stunde dauerte, die Vereidigung von Udo Talke als neuer Gemeinderat. Er rutscht für den im November verstorbenen Josef Brummer ins Gremium nach.

Wenn man so durch die Kommunen im Landkreis blickt, dann stellt man fest, dass die Sitzungen der Gremien immer gleich beginnen: Tagesordnungspunkt 1 – Genehmigung der Niederschrift. Ein Punkt der kaum mehr als eine Minuten dauern sollte, könnte man meinen. Aber man hat hier die Rechnung ohne Teile des Wolnzacher Gemeinderates gemacht.

„Uns haben diverse Änderungsanträge erreicht“, erläuterte Geschäftsführer Markus Rieder. Dabei ging es in den meisten Fällen um Ergänzungen. Sätze, die die Räte der SPD und FDP/UW/BGW hinzugefügt oder abgeändert haben wollten. Man könnte nun meinen, es handelt sich um ein hochbrisantes Thema, das in der Niederschrift entsprechend wiedergegeben werden muss.

Grundsatzfrage Wortprotokoll?

Doch diese Annahme wurde schon beim ersten Änderungspunkt widerlegt. Es ging gleich beim ersten Punkt um den Vortrag von Christiane Knab-Schäfer vom Arbeitskreis Asyl. Ein Punkt, zu dem der Gemeinderat keinen Beschluss fasste, der aber wäre man den Ausführungen von Gemeinderat Matthias Boeck gefolgt, eine Seite in Anspruch hätte nehmen sollen. „Wir verabschieden uns immer mehr vom Ergebnisprotokoll“, kommentierte Bürgermeister Jens Machold dies. Es stellte sich also wieder einmal die Grundsatzfrage, was ins Protokoll soll? Bleibt es wie bislang beim jetzigen Vorgehen oder schreibt man am Ende jedes Wort wörtlich mit. Klar ist, dass alleine das Erstellen der Niederschrift mittlerweile einen immensen Zeitaufwand für die Verwaltung bedeutet. „Mit dem neuen Gemeinderat, bedeutet es für uns einen erheblichen Mehraufwand, die Niederschrift zu erstellen“, erklärt Geschäftsführer Markus Rieder.

Diese dann auch zeitnah zu veröffentlichen und so dem Bürger auch auf der Homepage zu präsentieren ein schier unmögliches Unterfangen. „Wir können alles und jeden im Wortlaut wiedergeben“, so Karl Straub (CSU), der damit auch die Frage aufwarf, wer denn diese ausführlichen Protokolle lese. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Das Protokoll ist das Gedächtnis der Gemeinde“, erläuterte Peter Rech (FDP/UW) und fügte weiter an: „Ich habe alle Niederschriften aus dem vergangenen Jahr gelesen. Er ist der Meinung, dass diese aber noch deutlich Luft nach oben haben. „Wir befinden uns hier auf der zweituntersten Stufe.“

Also doch ein Wortprotokoll? Soll also künftig ein Mitglied der Verwaltung die Sitzung stenographieren? „Wir kämen nicht umhin als dann eine Bandaufzeichnung der Sitzung anzufertigen“, so Bürgermeister Jens Machold. Eine Aufgabe, die dann in der Folge auch die Verwaltung stark beschäftigen würde, schließlich müssten sie diese dann zu Papier bringen. In dieser Phase der Diskussion meldete sich dann auch Florian Werther, Fraktionsführer der Freien Wähler, zu Wort: „Vieles wird hier einfach auf die Goldwaage gelegt“, sagte er mit Anspielung auf die dutzenden Änderungen. „Ich war mit der Niederschrift bislang immer zufrieden, die Verwaltung macht einen wirklich guten Job.“ Mit diesem Beitrag wurde auch der Tenor laut, das leidige Thema endlich zu beenden. Keine Chance – denn das Damokles-Schwert der Rechtsaufsicht hängt über allem.

Damoklesschwert Rechtsaufsicht!

Am Ende blieb auch ihm nichts anderes übrig, als die Änderungsanträge Punkt für Punkt abzuhandeln und abzustimmen. „Wir können dies nicht anders machen, denn bei der kleinsten Kleinigkeit wird mit der Rechtsaufsicht gedroht“, so der Rathauschef. Und so tickte die Uhr und die Zeit verstrich. Nach rund einer halben Stunde war man immer noch, man glaubt es kaum, beim Protokoll, obgleich auch mit Michael Hierl von der Firma IKT ein Referent wartete. Mit jeder weiteren Minute wurde dann der Ton im Gremium rauer und gipfelte in einer von Gemeinderat Matthias Boeck mit sarkastischem Grinsen gespickten Bemerkung: „Herr Bürgermeister, Sie sollten die Struktur etwas ordnen.“

Beleidigungen an der Tagesordnung?

Nicht die einzige Bemerkung in dieser Richtung. „Man muss sich nicht schon beim ersten Tagesordnungspunkt beleidigen lassen“ reagierte Karl Straub (CSU) auf diese Äußerung und auch Bürgermeister Jens Machold fiel es obgleich der gefallenen Aussage schwer, die Contenance zu wahren. „Dies finde ich dem Haus und auch diesem Gremium gegenüber nicht angemessen. Jeder hat das Recht, in diesem Haus mit Respekt behandelt zu werden“, so Bürgermeister Jens Machold in Richtung Boeck.

Ein handfester Streit und das Behandeln der Sachthemen schien weiter denn je in die Ferne zu rücken. Ein Gemeinderat, der sich nur mit sich selbst beschäftigt und wo wirklich alles auf die „Goldwaage“ muss? „Mich kast des wirklich an“, kommentierte Stefanie Maier (CSU) genervt die Diskussion nach gut einer Stunde und ihr Fraktionskollege Adi Schapfl fügte an: „Jetzt laufen uns die Zuschauer gleich davon!“ Eine Bemerkung, mit der er wohl gar nicht so falsch lag, denn auch in den Gesichtern des Publikums konnte man lesen, wie genervt der eine oder andere war. Auch SPD-Gemeinderätin Brigitte Hackl betonte: „Das brauche ich nicht jede Sitzung!“, und meinte damit diese ausufernde Diskussion über ein Dokument, das letztlich im Archiv verschwindet.

Auf Anregung von Bürgermeister Jens Machold verständigte man sich letztlich darauf, dass sich die Fraktionsführer beraten, wie das Protokoll künftig geführt werden soll und man konnte den leidigen Punkt – nach 70 Minuten – endlich abschließen und sich den Sachthemen zuwenden. Was bleibt, ist ein kollektives Kopfschütteln.
 

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