Herrscher über die Königin
Unweit des Baarer Weihers liegt etwas abseits der Straße eine ganz besondere Schule, die keine Ferien kennt. Wer dort Unterricht nimmt, wird nach einem erfolgreichen Jahresabschluss bald ein ganzes Volk samt Königin unter sich haben. Die Rede ist vom Imkern, worauf mit dem "Forum Biene" der "Imkerverein Reichertshofen und Umgebung" Appetit machen will.
Jeden ersten Donnerstag im Monat, ab 19.30 Uhr, dreht sich alles am Lehrbienenstand um die fleißigen Honigproduzenten. Willkommen ist dabei jeder, der mehr über sie und ihr mühevolles Leben erfahren will. "Nicht jeder muss deswegen gleich Imker werden", sagt Bienenfachwart Bernhard Fleißner. Er ist einer unter etlichen Fachleuten im Verein, die ihre fundierten Kenntnisse über das schwirrende und summende Volk, das übrigens bis zu etwa 60 000 Individuen zählen kann, gerne weitergeben. Wer tiefer einsteigen will, kann von der Pike auf das Rüstzeug der Imkerei erlernen. Sechs Mitglieder des Vereins übernehmen von etwa März bis zum August die Ausbildung und führen durch die ereignisreiche Zeit des Bienenjahres.
"Mitbringen braucht man nur Interesse", so Fleißner. Alle notwendigen Materialein stelle während der "Lehrzeit" der Verein. Und mindestens 15 Jahre alt sollte man schon sein. Angst vor Stichen braucht grundsätzlich niemand zu haben. "Wenn man behutsam und vorsichtig ist, passiert einem nichts; die Tiere an sich sind harmlos und in der Regel äußerst friedfertig" beteuert Vereins-Schriftführerin Antje Schöttle, die selbst eine "leichte Bienengiftallergie" hat, wie sie sagt, und trotzdem als Imkerin aktiv ist.
Hört man sich in Imkerkreisen um, so scheint es tatsächlich so, als ob der selbstgeerntete Honig den einen oder anderen süchtig machen könnte. "Der geschleuderte Honig wird auf die Lehrgangsteilnehmer aufgeteilt", schmunzelt Fleißner. Und das soll dann schon einige noch etwas unentschlossene Lehrgangsteilnehmer endgültig zum Weitermachen motiviert haben.
125 Jahre Imkerverein Reichertshofen
Nach Abschluss des Lehrganges bekommt der frischgebackene Imker sogar ein eigenes Ableger-Volk, quasi als Starthilfe - so er denn dem Verein die Treue hält. Den gibt es heuer im 125. Jahr und er zählt derzeit 63 Mitglieder, die selbst von Mainburg oder auch aus Dachau in die Vogelau zwischen Baar und Feilenmoos kommen.
"Honig kann man zwar importieren, die Bestäubungsleistung jedoch nicht", plädiert Schöttle für die heimische Imkerei. "80 Prozent unserer Nutz- und Zierpflanzen brauchen die Bienen zur Bestäubung!" Die Bienenfachfrau appelliert deshalb, Honig beim heimischen Imker zu kaufen, damit auch die Bestäubungsleistung direkt vor Ort gewährleistet wird.
Ein unisono geäußerter Wunsch der Bienenfachleute ist der nach mehr Blühflächen in der Landschaft. "Das wäre eine Unterstützung bei der Nahrungssuche der Biene und würde auch den Menschen erfreuen", sagen Schöttle und Fleißner. Zusätzlich sollten Hobbygärtner auf Pflanzenschutzmittel ganz verzichten und auf natürliche Mittel umsteigen.
Mehr Wildblüten
Ein weiteres wichtiges Anliegen sei es den Imkern, dass die Gemeinden bei den Glascontainern genauer hinschauen sollten: Die Gummiklappen an den Einwurflöchern sind oftmals nicht in Ordnung oder fehlen gar ganz. Gerade bei dem derzeitigen Nahrungsmangel wegen vieler fehlender Wildblüten würden Bienen auf der Suche nach Nahrung in die Container fliegen, um dort in nicht ausgespülten Honiggläsern nach Resthonig suchen. Das Problem dabei sei, "dass in Honigen ausländischer Herkunft Bakteriensporen der so genannten Amerikanischen Faulbrut sein können", so Schöttle. Für einen infiziertes Volk bedeutet diese meldepflichtige Tierseuche das Aus für die Brut der Honigbiene.
Jetzt ist es eher ruhig im Bienenjahr, denn der Honig ist abgeschleudert und hat, abhängig von Wetter, Standort und einigen anderen Faktoren, auch in der Reichertshofener Gegend zwischen 15 und 40 kg pro Volk gebracht. Das sei jedoch nur der Überschuss, so Fleißner. "Etwa 300 Kilogramm Nektar, Wasser und Pollen ist der Eigenbedarf eines Volkes."
Die Bienen tragen Winterfutter für ihre Brut ein, um mit einem ausreichend starken Volk über den Winter zu kommen. Nur eine ausreichende Zahl von Bienen könne die Stocktemperatur von mindestens 25 Grad Celsius auch in länger andauernden Kälteperioden halten, erläutert Schöttle.
Dass das Imkern eine Wissenschaft für sich ist, das wird im Gespräch mit Schöttle und Fleißner schnell klar. Der Verein bietet zu der umfangreichen Thematik - außer in den Monaten August und Dezember -Lehrveranstaltungen am Lehrbienenstand an; sie sind jeden dritten Freitag im Monat und beginnen um 19 Uhr. Zu finden ist der Veranstaltungsort an der Verlängerung der Baarer Olympiastr. Nach der Abzweigung zum Hexenhäusl steht das Haus nebst Bienenstand rechts im Wald.
Und Einstein ...
An dieser Stelle eine Anmerkung zum Thema. Albert Einstein wird oftmals so zitiert: "Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr." Gegenüber Hallertau.info dementiert Barbara Wolff vom Albert Einstein Archiv der Hebrew University of Jerusalem dies jedoch. "Es gibt keinerlei Belege die darauf hindeuten, dass Einstein diesen Satz jemals gesagt hat."
Fakt jedoch ist: Als Einstein 21 Jahre alt war, gab es in Deutschland noch drei Millionen von Imkern betreute Bienenvölker; heute sind es nur noch etwa 600 000. Auch das deutet darauf hin, dass sich Bienen in einem Existenzkampf befinden. Gegenwärtig vermag niemand genau zu sagen, welche Konsequenzen daraus folgen - für Bienen und Menschen.
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