Dialoge in der Schreinerei - BR zeichnet Konzert auf
Irgendwie ist es am Ende immer eine Frage der Perspektive und der Erwartungshaltung: wer melodischen oder rhythmischen Jazz erwartet hatte am Donnerstagabend in der Künstlerwerkstatt, der wurde ganz sicher enttäuscht. Wer jedoch eher darauf eingestellt war, dass sich zwei Instrumente "miteinander unterhalten", Stimmungen wiedergeben oder Szenerien lautmäßig beschreiben, dessen Erwartungshaltung wurde erfüllt.
Urs Leimgruber, Schweizer Saxofonist der Extraklasse und nach eigener Bekundung stark von John Coltrane beeinflusst, und der Berliner Gitarrist Andreas Willers waren gekommen, um vollkommen dialektfrei Dialoge aufzunehmen. So klang es anfangs wie in einer Straßenszenerie, mit Hintergrundgeräuschen, Straßenverkehr und sonstigen Einflüssen. Dass die beiden Musiker an diesem Abend zum ersten Mal miteinander auf der Bühne standen - bzw. besser gesagt: saßen - war ihnen nicht anzumerken: in der Ausdrucksweise ihrer Stimmungen über die Instrumente harmonierten sie von Beginn an, die Gitarre gab vor, das Saxophon antwortete zunächst leise und verhalten, dann immer intensiver werdend.
Der Bayerische Rundfunk hatte sich mit seinem Spartensender BR Klassik angesagt und die Performance in Pfaffenhofen aufgezeichnet. Die knapp über 30 Besucher in Wacky Singers Werkstatt reagierten dabei allerdings recht unterschiedlich auf die - je nach Sichtweise - Musik / Töne / Geräusche. Einige, angezogen durch das Logo BR Klassik, nahmen gar nicht erst Platz und drehten sich schon nach nur wenigen Minuten in der Eingangstür wieder um. "Das ist nicht unsere Musik." kommentierten Irmi und Carmen Sitter, Inhaberinnen einer Immobilienfirma in der Kreisstadt. Auch unter denen, die zuvor Platz genommen hatten, gab es Besucher, die sichtlich irritiert schon bald wieder den Heimweg antraten.
Diejenigen jedoch, die geblieben waren - und das war durchaus die Mehrheit -, versanken mit zunehmender Dauer der Darbietung in immer tiefer werdende Gedanken und traumähnliche Zustände. Basierend auf den Hintergrundtönen konnte jeder Einzelne seiner ganz individuellen Phantasie freien Lauf lassen. Eine Art von Meditationszustand machte sich breit in Großteilen des Publikums. Dabei wurde schon jeder leiseste Ton von außen als störend empfunden: das Knarren der Bodenbretter in der Schreinerei, die Lüftungsanlage, ja selbst der Plop der Bierflasche. Auf die Frage in einem Interview, was ihn als Komponist und Musiker am meisten beeinflusse, antwortete Urs Leimgruber einst: "Jegliche Art von Geräuschen, zwischen singenden Vögeln in einer ansonsten totalen Stille und dem Straßenlärm in Manhattan."
Musikalisch nicht jedermanns Sache, dabei aber durchaus interessant, einmal miterlebt zu haben; so kann man diesen Abend in der Künstlerwerkstatt zusammenfassen. Wer nicht dabei war, aber neugierig geworden ist, hier ist der Sendetermin der Aufzeichnung:
Jazztime - Jazz auf Reisen
Freitag, 18.07.2014, 23:05 bis 24:00 Uhr
BR-KLASSIK - Dialoge in der Schreinerei
Moderation und Auswahl: Roland Spiegel
Aber bitte im Vorhinein dafür Sorge tragen, dass keinerlei Störungen von außen auf die Atmosphäre im "Zuhörraum" einwirken; nur so kann man den Instrumenten die ungeteilte Aufmerksamkeit entgegen bringen.
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