Eine Reise durch den Dünndarm
Foto und Text von Alexandra Gerrard: Die Videokapsel, die Patienten zur Untersuchung der Kapselendoskopie schlucken, hat lediglich die Größe einer normalen Tablette. Auf dem Bild im Hintergrund zu sehen: Dr. med. Volker Stagge.
Die Ilmtalklinik Pfaffenhofen setzt seit kurzem erfolgreich die Kapselendoskopie bei Patienten mit Dünndarmerkrankungen ein. Es handelt sich dabei um eine moderne innovative Untersuchungsmethode, bei der der Patient eine 26 x 11 Millimeter große Videokapsel für die Untersuchung schluckt. Die Kapsel ist damit ungefähr so groß wie eine normale Tablette und liefert Bilder aus dem Körperinneren.
Dr. med. Volker Stagge und Dr. med. Hans-Roland Stegemeyer, beide Oberärzte der Gastroenterologie in der Ilmtalklinik, sind dabei die Spezialisten mit der entsprechenden Expertise auf diesem Gebiet. Auch für Patienten im Raum Mainburg steht das Konzept im Rahmen eines Gemeinschaftsangebots für die dortige Verbundklinik zur Verfügung.
Per Video durch den Dünndarm: Die Vorteile
Es handelt sich bei der Methode um eine sehr patientenfreundliche sowie komplikationsarme Vorgehensweise, die auch bei Kindern ab neun Jahren schon durchgeführt werden kann. Zudem ermöglicht die Kapselendoskopie den Ärzten genauere Einblicke in einen Bereich des Körpers, der mit den bislang angewandten Methoden nur unzureichend untersucht werden konnte.
Der Dünndarm ist fünf bis sieben Meter lang und ein schwer zugängliches Organ. Dieses bei Verdacht auf Erkrankungen vollständig zu untersuchen, ist nur über eine sehr aufwändige und komplizierte Dünndarmspiegelung (die Doppelballonenteroskopie) möglich. Für diese muss der Patient mit Schlaf- und Schmerzmitteln behandelt werden. Ultraschall-, Röntgen- bzw. Kernspinuntersuchungen liefern hier nicht immer sichern Befunde, vor allem, weil die Schleimhaut dabei nicht betrachtet werden kann und Veränderungen erst ab einer bestimmten Größe auffallen. Jedoch gilt auch hier der medizinische Grundsatz: Je früher eine Erkrankung diagnostiziert wird, desto besser sind die Heilungschancen. Aus diesen Gründen erklärt Dr. Stagge, sei die Kapselendoskopie für viele krankhafte Veränderungen des Dünndarms nicht nur die bessere, sondern auch die Untersuchungsmethode, die derzeit die höchstmögliche diagnostische Sicherheit bietet. Als Hauptindikation für eine Kapselendoskopie führt der Arzt die unklare Blutung aus dem Dünndarm an. Normalerweise wird jedoch als Voruntersuchung eine Magen- und Darmspiegelung durchgeführt. Besteht daraufhin der Verdacht auf eine Blutung aus dem Dünndarm erfolgt die Kapselendoskopie.
Die schluckbare Videokapsel ist mit einer Mini-Chipkamera, Batterien, einer Lichtquelle und einem Sender bestückt. Sie wandert auf natürlichem Weg durch den Verdauungstrakt und wird anschließend wieder ausgeschieden. Im Durchschnitt ist die Kapsel etwa sechs Stunden im Körper unterwegs. Die Kapselkamera sendet zwei Farbbilder pro Sekunde über auf die Bauchhaut geklebte Elektroden an einen Datenrekorder, den der Patient an einem Gürtel trägt. Diese empfindlichen Elektroden haben auch den Vorteil, dass sie dem Betrachter anzeigen, an welcher Stelle im Dünndarm die Kapsel das Bild aufgenommen hat. Anschließend werden die Bilder auf einen Computer überspielt und von Dr. Stagge bzw. Dr. Stegemeyer für den Befund ausgewertet. Eine spezielle Software vereinfacht die Analyse, indem die Fotos vergrößert oder auch zum Vergleich parallel betrachtet werden können. Alle Untersuchungsergebnisse werden selbstverständlich auf dem Computer gespeichert, so dass sich die Diagnose sehr gut jederzeit mit den Kollegen besprechen lässt. Das habe auch den Vorteil, dass die Erfahrung im gesamten Team – auch das in der Mainburger Verbundklinik –wächst.
Die Vorbereitungen
Vor der Durchführung einer Kapselendoskopie untersucht der behandelnde Arzt Patienten auf eventuelle Engstellen im Darm und informiert ausführlich über das Vorgehen. Die einzige wichtige medizinische Komplikation, die nach Aussagen der Spezialisten auftreten kann, ist das Steckenbleiben der Kapsel bei Vorliegen einer Engstelle im Dünndarm. Aber in diesem Fall berichtet der Patient in der Regel auch über eine entsprechende Symptomatik. Um sicher zu gehen, sind bei Verdacht auf eine Engstelle Untersuchungen wie beispielsweise Ultraschall-, Röntgen- oder Kernspinuntersuchungen nötig. Ergibt sich daraus immer noch kein eindeutiger Befund, kommt eine röntgendichte Probekapsel zum Einsatz, die sich nach kurzer Zeit auflöst. Das sei ein ungefährlicher Test, ob die richtige Kapsel problemlos überall durchkomme.
Zu den vorbereitenden Maßnahmen gehört auch, dass bei den jeweiligen Krankenkassen die Kostenübernahme beantragt wird. Die Genehmigung ist nach den Erfahrungen der Oberärzte im Regelfall kein Problem, wenn im Vorfeld die medizinische Notwendigkeit begründet ist. Oder aber der Patient liegt bereits im Krankenhaus und es tritt ein Problem auf, das diese Untersuchung notwendig macht. Dann wird sie im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes durchgeführt.
Für die eigentliche Untersuchung ist die gleiche Vorbereitung wie bei einer Darmspiegelung nötig: Für eine gute Sicht und klare Bilder muss der Darm ganz sauber sein. Deswegen trinken betroffene Patienten am Vortag zwei Liter einer speziellen Spüllösung und müssen anschließend nüchtern bleiben. Sechs Stunden nachdem die Kapsel geschluckt wurde, dürfen Patienten bereits eine klare Brühe zu sich nehmen und auch wieder etwas trinken.
Die Nachteile
Die Kapselendoskopie stößt dann an ihre Grenzen, wenn sich viel Schleim im Darm befindet, der eine gute Sicht verhindert. Auch kann es nach Darstellung der Fachärzte vorkommen, dass die Blutung für eine präzise Lokalisierung der Blutungsquelle zu heftig ist. In diesen Fällen beraten die behandelnden Mediziner über alternative Untersuchungsmethoden. Hierzu zählt beispielsweise die Doppelballon-Enteroskopie, die jedoch viel aufwändiger und patientenbelastender ist. „Allerdings besteht hier die Möglichkeit der Intervention und aktiven Steuerung, die ja bei der Kapselendoskopie im jetzigen Stadium der technischen Entwicklung noch nicht gegeben ist,“ erklärt Dr. Stagge.
Vorsicht sei auch bei Patienten mit Schluckproblemen geboten. Dazu können Menschen gehören, die einen Schlaganfall hatten oder bei denen beispielsweise aufgrund einer Operation Schluckbeschwerden auftreten. Kinder haben mitunter ebenso Probleme beim Schlucken von größeren Tabletten wie Patienten mit einer Aversion gegen derartige Kapseln.
Dr. Stagge: „Ich bin fasziniert von dieser Methode. Auch wenn die Filme lang sind, sehe ich mir die Reise durch den Körper gerne an. Ich werde es vorwiegend bei Verdacht auf Blutungen einsetzen. Zum Beispiel auch bei unerklärter Eisenmangel-Blutarmut. Sie weist häufig auf eine Dünndarmblutung hin. Zukünftig wollen wir die Kapselendoskopie auch vermehrt bei chronischen Entzündungen des Verdauungstraktes, also Morbus Crohn, sowie bei der Zöliakie oder bei Tumorverdacht einsetzen. Bislang macht man hier überwiegend Kernspinuntersuchungen. Die reichen aber oft nicht aus, so dass eine Kapselendoskopie mehr Sicherheit gibt.“
Mit großem Interesse verfolgt der Facharzt die weitere Entwicklung der Dickdarmkapsel. Diese noch sehr selten eingesetzte Variante hat vorne und hinten eine Kamera und Lichtquelle, was dem Betrachter fast einen Kugelblick mit hoher Aussagekraft ermöglicht. „Als nächstes werden die steuerbaren Kapseln kommen. Die Entwicklung wird seit einigen Jahren vorangetrieben. Das ist alles noch Zukunftsmusik und weit entfernt vom praktischen Einsatz, aber spannend zu beobachten“, so der Gastroenterologe weiter.
Die Ärzte der Ilmtalklinik sprechen heute schon von einer sehr effektiven Behandlungsmethode und positiven Erfahrungen. „Wir haben schon viele Patienten mit Verdacht auf Dünndarmblutungen untersucht. Bei einigen konnten wir dann glücklicherweise die Blutung ausschließen“, freut sich Dr. Stagge.„Bei einem anderen Patienten haben wir eine im Dünndarm befindliche Blutung gesehen. Dieser Patient konnte für eine umgehende Behandlung gleich weitergeleitet werden konnte. Und wieder bei einer anderen Patientin konnten wir durch die Untersuchung einen Tumor ausschließen.
Schließlich sei es dem Ärzteteam in Pfaffenhofen ein besonderes Anliegen, dass die Patienten nicht wegen einer Untersuchung die Betreuung wechseln müssen und sich so mit vielen Ansprechpartnern auseinandersetzen müssen. Auch nach der Videokapsel-Untersuchung wird der Patient in der Ilmtalklinik vom gleichen Ärzteteam, das dessen Historie kennt weiter behandelt. Fachübergreifend bekämen sie sozusagen alles aus einer Hand: Dr. Stagge und Dr. Stegemeyer führen den Ultraschall, die Spiegelungen und die Endoskopien durch, zudem befänden sich sowohl eine gut ausgestattete Kernspinabteilung als auch die nötigen therapeutischen und chirurgischen Möglichkeiten vor Ort. Das biete den Patienten Sicherheit und sie fühlen sich gut aufgehoben.
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