Benny Lackners Sturm der Inspirationen
Der Deutschamerikaner aus Berlin bescherte den Wolnzachern ein Klavierkonzert, wie man es in der Hopfenmetropole noch nie erfahren hatte. Per Computer spielte er Klang-Wiederholungen ein. Nur einen Schubert trug er – trotz eigener Interpretationen mit Noten vor. Die Eigenkompositionen dominierten – auch die Gefühle und Impressionen der Zuhörer. Eine fließende Grenze zwischen Free Jazz und Original Lackner.
Der komponierende Pianist führte selbst durch das Programm, ließ so manches Persönliche einfließen, wie z.B. dass sein Großvater Morgenroth hieß und von einer Bäckerei in Österreich den Namen Lackner sich zulegte. Dazu trug er „Would it matter who we were“ vor, ein Stück, das er für seinen aus Deutschland emigrierten Großvater schrieb. Ein Stück deutsches Judentum wurde am Freitagabend im Rathaussaal aufgearbeitet. Benny Lackner hat selbst in Berlin eine junge Familie, in Brooklyn noch eine Wohnung – mit Katze – und seine Familie (Berliner Mutter) lebt in Kalifornien. Allen sind Kompositionen gewidmet.
Sein Auftritt ist geprägt von internationaler Lässigkeit: Jeans, zerknittertes Hemd. Die Sache zählt. Er beherrscht seine Klangmaschine. Zwei Computer stehen auf dem Piano. Ein Außenlautsprecher ist sein „zweiter Solist“. Wenn er sein Schubert-Skript auf die Saiten des Klaviers legt, ändert sich der Klang dieses Abschnittes in ein afrikanisches Kulimba. Oder er klopft im Klavierinneren. Ein Computer gebraucht dies wiederholend als Rhythmus, als Drums.
Lackner mailte den Wolnzacher Verleger Eduard Kastner im Januar an, dass er in Wolnzach auftreten möchte. Kulturreferent Alois Siegmund nahm ihn für seine Rathauskonzerte begeistert auf. Nicht zuletzt wegen der sehr humanen Gage, die auch bei nur 20 Besuchern schon zur Hälfte hereingespielt werden konnte. Für das Konzert reiste Lackner extra aus Berlin an und am Samstag wieder zurück. Den Abend nach dem Konzert verbrachte er beim Abendessen in der „Post“ mit dem Ehepaar Siegmund und Vermittler Kastner. Da konnte viel Persönliches ausgetauscht werden. Lackner offenbarte sich als Starpianist ohne Allüren. Er wird gerne wiederkommen, auch zu Incontri oder in die Pfaffenhofener Künstlerwerkstatt.
Lackner hat bei Brad Mehldau studiert. Das prägte seinen Stil des immerwährenden Variierens, Weiterentwickelns, Rastlosen. Im Innern Lackners schlummert aber ein Romantiker mit dem Hang zu herrlichen Klangsequenzen, die zu Träumen überleiten können. Doch auch Härte kann angesagt sein. Kein Wunder, dass diese Mischung rund um den Globus gut ankommt. Aus der Dankesmail einer Wolnzacher Zuhörerin:
„Ich denke, er hat uns alle tief berührt.
Besonders ein Stück, das er seinem Vater gewidmet hatte, ging mir nah.
Es fühlte sich an wie eine Ermutigung für die Überwindung dessen
Vergangenheit als geflüchteter Jude. Und eine Versöhnung mit allem
Unrecht, was damals geschah, aller Schuld, die Unschuldige übernehmen mussten für eine unsägliche Machtkonstellation.
Aus dem Stück spürte ich eine unglaubliche Traurigkeit. Da ist etwas,
was viele von uns betrifft, unsere Erfahrung mit unseren Nachkriegs-
Vätern, was wir alle von unseren Vätern fühlen, aber niemand
aussprechen durfte. Was unsere Nach-Kriegsväter alle gefühlt, gewusst haben und doch nicht wissen durften. Etwas, was sie alle zu Schuldigen gemacht hatte, gegen ihren Willen.
Jetzt wird es allmählich ausgesprochen und damit die tiefen - auch
unbewussten – Wunden zweier Weltkriege und deren verheerende seelische Nachwirkungen bereinigt.“
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