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Wirtschaften für das Gemeinwohl - Gemeinwohl Ökonomie

Im Rahmen der „Energie-für-alle-Woche“ im Stockerhof, konnte Energie- & Solarvereinsvorsitzender Andreas Herschmann einen interessanten Redner begrüßen, den Lehrbeauftragten an der Wiener Wirtschaftsuniversität, Christian Felber. Felber ist Lektor und freier Publizist und gehört zu den Mitbegründern von Attac Österreich. Obwohl Felber kein studierter Wirtschaftswissenschaftler ist, hat er umfang-reiche Gedanken zu einer alternativen Wirtschaftsordnung entwickelt.

Andreas Herschmann, Christian Felber

Felber ging auf die vielfältigen gesellschaftlichen Umbrüche ein, die sichtbar werden, durch die vielen Krisen wie Finanzkrise, Klimakrise, Demokratiekrise oder demographischer Wandel. Aus diesen Situationen heraus entstehen viele neue Initiativen, die zu gesellschaftlichen Veränderungen führen sollen. So wünschen sich 88% der befragten Menschen in Deutschland eine neue Wirtschaftsordnung, die substantielle Antworten auf Finanz-, Verteilungs-, Konsum-, Sinn-, Werte- u. Demokratiekrisen gibt. Felber fragte sich, was zum Beispiel Ziel des Wirtschaftens sei und fand in Verfassungstexten von sehr vielen Ländern, dass das Ziel wirtschaftlichen Handelns darin bestehe, das Gemeinwohl zu fördern. In keiner Verfassung aber steht, dass das Ziel wirtschaftliches Handelns die Gewinnmaximierung ist. So schreibt die bayerische Verfassung in Art. 151 vor: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten." Ähnliche Formu-lierungen finden sich zum Beispiel in der italienischen, schweizerischen oder Baden-Württembergischen Verfassung; selbst die Mutter des Kapitalismus, die USA, haben in ihrer Präambel das Gemeinwohl (welfare) verankert.

Ausgehend von diesen Überlegungen entwickelte Felber den Gedanken der Gemeinwohl Ökonomie und konnte vor gut drei Jahren 12 Unter-nehmen in Österreich für diesen Gedanken gewinnen – inzwischen sind es über 1400 Unternehmen, Gemeinden und Organisationen in den verschiedensten Ländern, die diese Idee weitertragen und verwirklichen wollen. Für Felber ist die Gemeinwohl-Ökonomie eine Antwort auf die vielschichtigen Krisen der Gegenwart: Finanzblasen, Arbeitslosigkeit, Armut, Klimawandel, Demokratieabbau oder Werte- und Sinnverlust. Wie die Marktwirtschaft beruht sie auf privaten Unternehmen und individueller Initiative, aber unter Rahmenbedingungen, die nicht Gewinn und Konkurrenz belohnen, sondern Kooperation und größtmögliches Gemeinwohl. „Lasst uns eine Wirtschaftsordnung schaffen, die auf denselben Grundwerten beruht, die unsere Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität und Teilen. Gelingende Beziehungen sind genau das, was Menschen am glücklichsten macht und am stärksten motiviert“.

Diesen Werten stehen gegenüber Begriffe wie Rücksichtslosigkeit, Egoismus, Gewalt oder Konkurrenz, die eher im Wirtschaftsleben gelten. Felber möchte deshalb Gewinnstreben durch Gemeinwohlstreben und Konkurrenz durch Kooperation ersetzen. Er hat sich einmal die Arbeit gemacht, und die Koalitionsvereinbarung der schwarz/gelben Bundesregierung nach Begriffen zu untersuchen und kommt dabei auf erschreckende Ergebnisse: Wettbewerb und Wachstum sind die am häufigsten genannten Begriffe – Demokratie, Solidarität und Würde sind dagegen sehr selten zu finden. Dieses Denken prangert er an.

Für Felber wurde die Wertepyramide dadurch auf den Kopf gestellt. Für ihn ist die Menschenwürde das wichtigste Kriterium, aus dem heraus Demokratie und wirtschaftliche Freiheit als Folge entstehen. Statt auf Konkurrenz zu setzen, sollte wirtschaftliches Handeln Kooperation belohnen. Auch die Fixierung auf den Begriff Bruttosozialprodukt ist für Felber der falsche Ansatz. Nicht ohne Grund hat eine Regierungs-kommission erst jetzt versucht, das Bruttosozialprodukt anders zu definieren und nicht nur die produzierten Warenwerte und Dienst-leistungen zu berücksichtigen. Und die Besteuerung sollte nach Felber zukünftig nach ethischem Verhalten und nach Ergebnissen für das Gemeinwohl erfolgen. Bei einer spontanen Befragung der Zuhörer nach dem gerechten Lohn ergab sich, dass die überwiegende Mehrheit akzeptieren würde, wenn das höchste Einkommen 10-12 Mal so hoch ist wie das niedrigste.
 

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