Der gerechte Krieg war keiner
Andre Shepherd war als US-Soldat im Irak, er hat dort Kampfhubschrauber gewartet. Während des Einsatzes kamen ihm Zweifel: Die angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddams existierten nicht, das Land aber hatte durch die US-Intervention immense Schäden erlitten. Sein Gewissen ließ Shepherd keine Ruhe, er konnte sich, wie er sagt, nicht mehr im Spiegel anschauen. Er kam - wie manche Kameraden - zu dem Schluss, dass er und sie ebenso wie die Weltöffentlichkeit, was die wahren, offenbar ökonomischen Kriegsziele angeht, belogen worden waren. Er setzte sich nach Deutschland ab; hier will er bleiben, er hat längst Deutsch gelernt. Dabei ist Shepherd kein radikaler Pazifist: sein Land, so sagt er, würde er verteidigen - der Irak-Krieg aber sei völkerrechtswidrige Aggression gewesen.
Die Behörden, mit denen er in Deutschland zu tun hatte, hätten sich ehrlich um ihn bemüht, so empfindet er es. In seiner Heimat droht ihm eine hohe Gefängnisstrafe. In Deutschland existiert ein Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung - aber ist das Grund genug, Shepherd hierzulande Asyl zu gewähren?
Mit dieser schwierigen politisch-moralischen Frage haben sich die vierzig Besucher bei Shepherds packendem Vortrag im Pfaffenhofener Hofbergsaal auseinandergesetzt; die Veranstaltung hatten die Valjevo-Freunde organisiert. Ganz offen spricht Shepherd über sein Schicksal, erzählt, wie er sich aus einer finanziellen Notlage heraus bei den Streitkräften verpflichtete, zunächst überzeugt, auf der Seite der Guten gegen die Bösen zu kämpfen. Die Entscheidung über seinen Asylantrag liegt derzeit beim Europäischen Gerichtshof - wie immer er ausgeht, wird er politische Wellen schlagen und kann das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht unberührt lassen.
Es waren beunruhigende Fragen, die in im Anschluss an den Vortrag diskutiert wurden: ob durch eine Dämonisierung des Iran dem nächsten Krieg der Weg geebnet werde, wieweit auch Deutschland in den Irakkrieg verwickelt ist, ob sich im Ernstfall das Recht auf Kriegsdienstverweigerung bei der Bundeswehr durchsetzen lasse. Die Antworten sind nicht einfach. Dass diese schwierigen Fragen gestellt wurden, ist das Verdienst der Veranstalter des beeindruckenden Vortrags.
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