Die Wirtschaft im Fokus
(Wolnzach, hr)Es war ein Wahlkampfauftakt der etwas anderen Art. In Wolnzach besuchte Erich Irlstorfer (CSU) nicht nur das Hopfenforschungsinstitut in Hüll, sondern auch die beiden innovativen Unternehmen Linner und Herion, um sich vor Ort über Wünsche, Sorgen und Nöte zu informieren.
Es war kein großer Tross, im Gegenteil der CSUler hatte sich bewusst anders entschieden. Er wollte mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen, hören was ihnen unter den Nägeln brennt. Speziell stand hier die Landwirtschaft und der Mittelstand im Fokus des Bundespolitikers.
Ob Glyphosat oder mit Nitrat belastetes Grundwasser - die Themen, denen sich die Hopfenbauern gegenüber sehen, werden schwieriger. Gerade die Düngeverordnung macht so manchem in der Hallertau Kopfzerbrechen. "Es ist eine gewaltige Herausforderung, vor der wir hier stehen", erläuterte Dr. Peter Doleschel, Leiter des Forschungszentrums in Hüll. Ein Satz, der beim Bundestagsabgeordneten Eindruck machte. "Die Landwirtschaft ist auch heute noch ein enorm wichtiger Arbeitgeber und wir müssen hier schon dafür sorgen, dass in Zukunft Produktion noch möglich ist", so Irlstorfer im Hinblick auf die neue Düngeverordnung.
Für einen fairen Umgang mit der Landwirtschaft
Doch der Bundestagsabgeordnete war nicht nur nach Hüll gekommen, um sich die Sorgen der Landwirte anzuhören, sondern vielmehr auch deswegen, um einen Blick auf das Erfolgsmodell "Hüll" zu werfen. "Die Hopfenforschung gibt es seit 1926", so Doleschel. Damals erkannten sowohl Brauereien, wie Pflanzer, dass man die Produktionssicherheit nur über eine gemeinsame Forschung sicherstellen konnte. Ein Modell, das sich bis heute bewährt hat. In Hüll werden neue Sorten gezüchtet, sowie die Forschung zum Thema integrierter Pflanzenschutz und zur Anbautechnik vorangetrieben - und das in einer, wie man es heute gerne formuliert, Public-Private-Partnership. "Unser Ziel ist es den Landwirten die Möglichkeit zu geben, Hopfen wirtschaftlich anzubauen", so Doleschel weiter. Dies ist in der Vergangenheit auch gelungen, denn wie der Leiter weiter ausführte, wird in Bayern rund ein Drittel des weltweiten Bedarfs produziert. Ein Satz, der den Bundestagsabgeordneten beeindruckte. "Gerade hier zeigt sich, wie gut die Verzahnung funktioniert."
Aber rein eitler Sonnenschein ist nicht alles in der Landwirtschaft. Gerade die aktuellen Strukturen und die sinkende Zahl an Bauern machen Irlstorfer Sorgen. Landwirte zu kriminalisieren, so seine Formulierung, sei schändlich. Er fügte aber an, dass es notwendig ist, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. „Wir brauchen aber das richtige Maß in dieser Diskussion und es kann nicht hingenommen werden, dass Tierschutzorganisationen zu Einbrüchen in Stallungen aufrufen.“ Dass es auch im Hopfenanbau einige Probleme gibt, die es zu lösen gilt, daraus machte der CSUler keinen Hehl. Jedoch forderte er im Umgang mit den Landwirten Respekt ein. „Es ist keineswegs selbstverständlich, dass unsere Teller mit solch hochwertigen Nahrungsmitteln gefüllt sind“, so Irlstorfer, der deutlich machte, dass der Bauer am Ende des Tages vom dem, was er produziert hat, leben können muss.
Den Mittelstand ins Zentrum rücken
Claude Herion ging noch einen Schritt weiter. Er sprach in Teilen von einer unternehmensfeindlichen Kultur in Deutschland und attestierte: „ Der Weitblick und die Klarheit eines Helmut Kohls fehlt uns heute schon.“ Zwei Gedanken, gegen die auch Irlstorfer nur schwerlich etwas sagen konnte. Zwar wird der Mittelstand gerne als das Rückgrat der Gesellschaft bezeichnet, doch politisch gesehen, das gab der CSUler zu, stand er nicht im Fokus des Handelns. Digitalisierung, Infrastruktur aber vor allem der Fachkräftemangel sind dort die Themen, die bewegen. 10.000 unbesetzte Stellen gibt es laut der jüngsten Zahlen der Industrie- und Handelskammer. „Hier entgeht unserer Wirtschaft pro Jahr rund eine Milliarde“, erklärt Elke Christian seitens der IHK. Die beiden Wolnzacher Unternehmen Linner und Herion haben dabei aus der Not eine Tugend gemacht und eine gemeinsame Ausbildungsinitiative ins Leben gerufen. Vor einem Jahr startete die Heldenschmiede. Dort bilden beide Unternehmen ihre Lehrlinge gemeinsam aus und stellen ihnen während der Lehre einen Mentor zur Seite. "Wir sind im sehr gut gestartet", erklärte Katharina Linner und fügte weiter an, diese Idee in den kommenden Jahren weiterentwickeln zu wollen. "Unser Ziel wäre eine Ausbildungsakademie." Eine Idee, ein Projekt das, wie es Irlstorfer formulierte, beispielgebend ist.
Dabei gab man sich bei den beiden Unternehmen durchaus selbstkritisch. "Wir haben heute andere Arbeitnehmer", so Linner. Es sind zu meist solche, die immer wieder nach neuen, nach anderen Herausforderungen streben. Gerade das macht aber aus Sicht der beiden Unternehmer die Herausforderung der heutigen Zeit aus. "Wir müssen uns als Unternehmer etwas einfallen lassen und bereit sein, neue Wege zu gehen", erklärt Claude Herion.
Aber es sind nicht nur die Innovationen der einzelnen Betriebe, sondern, wie Herion erläuterte vor allem die gute Verzahnung von Forschung, Politik und Unternehmertum, die er als wesentlichen Standortvorteil Wolnzachs ausmachte. Neben den genannten Punkten sind es vor allem die Mentalität und der deutsche Unternehmergeist, die gerade gegenüber China den Unterschied ausmachen. "Dort ist man nicht so wie bei uns mit Unternehmer-Gen gesegnet", so Herion weiter, der seit Jahren zum Land der aufgehenden Sonne geschäftliche Beziehungen unterhält und dort auch ein Werk betreibt.
Während ihm die um die Wirtschaft wenig bang ist, stellte er die Frage nach den politischen Rahmenbedingungen und schlug dabei kritische Töne an. Vor allem die Bildungspolitik ist aus seiner Sicht nicht optimal. "Jeder will heute Abitur und studieren, doch was wir wirklich brauchen sind Facharbeiter und Handwerker." Es ist ein Plädoyer für die duale Ausbildung, für ein System, für das die Deutschen gerade im Ausland beneidet werden. Doch im eigenen Land scheint eine Ausbildung wenig zu gelten. Ob dies gesellschaftlich der richtige Weg, das bezweifelten sowohl Linner wie auch Herion.
Dabei ging es dem erfolgreichen Wolnzacher Unternehmern nicht nur um die Ausbildung, vor allem die Rahmenbedingungen sind es, die für Firmen entscheidend sind. Neben der Digitalisierung steht die Infrastruktur und die dritte Startbahn im Fokus. "Wir brauchen sie - und das besser heute als morgen", so Herion. Eine Aussage, die Irlstorfer selbst etwas relativierte: "Ich glaube, dass es einen berechtigen Bedarf gibt, kann aber auch die Gegenseite verstehen." Es geht ihm um die Menschen. Und genau in diesem Punkt sieht er im Moment auch den großen Knackpunkt. "Man muss mit den Menschen vor Ort fair umgehen", so Irlstorfer und sprach dabei vor allem die nicht mehr zeitgemäßen Entschädigungssummen an. Insgesamt machte Irlstorfer, der sich selbst zum weiteren Ausbau kritisch äußerte, deutlich, dass man hier endlich eine Entscheidung brauche. "Das sind wir den Menschen schuldig!"
Es war ein Tag an dem die Wirtschaft im Fokus stand. Ob nun Hopfenanbau oder Unternehmertum, beide sind, um Stoibers Begriff von Laptop und Lederhose zu bemühen, von zentraler Bedeutung für die Region. Damit dieser Erfolg auch in Zukunft bestehen bleibt, braucht es eine Politik, die den Mittelstand wieder stärker ins Zentrum rückt. Ein Ansinnen, das sich, so Irlstorfer möglichst im neuen Koalitionsvertrag widerspiegeln soll.
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