„Jetzt red i“ zu deutsch-türkischem Verhältnis
(Mainburg, sh)
„Es sieht so aus, als hätten wir ein niederbayerisches Dauerabo“, witzelte Moderator Tillmann Schöberl noch zu Beginn der Sendung „Jetzt red i“, die kürzlich live aus der Hopfenstadt übertragen wurde. Vor fast genau einem Jahr war das Fernsehteam des BR schon mal zu Gast in der Hallertau, nämlich in Steinbach mit dem Schwerpunkt „Europa“. Dreh- und Angelpunkt der letzten Sendung war die Frage „Spaltet Erdogan Wahlkampf die deutsch-türkische Gemeinschaft?“
Sendebeginn 20.15: Die Politik Erdogans wurde gestern Abend nicht nur von den türkischstämmigen Mitbürgern sehr kontrovers diskutiert. Fast jeder zehnte Einwohner in der Hopfenstadt hat türkische Wurzeln.
Auf die Frage, wie belastet er die deutsch-türkische Freundschaft durch den momentanen Wahlkampf sieht, antwortete ein Student aus Mainburg: „Ich sehe keine Türken und ich sehe keine Deutschen – „Wir sind alle Mainburger!“ Die meisten türkischen Stimmen verneinten die Frage ob sie in ihrem persönlichen Umfeld das Verhältnis beider Kulturen neuerdings als belastet empfinden.
Doch nicht nur deutsch-türkische Verhältnisse, sondern auch die Verhältnisse innerhalb der Türkei wären problematisch. Während die Einen glauben, dass Erdogan die Politik im Landesinnern vorwärtsbringe, haben andere Angst wegen einer Kleinigkeit eingesperrt zu werden.
Vural Ünlü, Vorstand der türkischen Gemeinde in Bayern und sein Diskussionspartner Hans-Peter Ulm, Innenexperte für die CSU, ergänzten die Sendung mit einer durchaus etwas drastischeren Sicht auf die weltpolitischen Folgen. So sieht Ulm im Falle des Siegs Erdogans am 16. April den Übergang der parlamentarischen Demokratie zum Führerprinzip. Die Verfassungsreform würde dem türkischen Staatschef zu fast absoluter Macht verhelfen.
Durch Beleidigungen und Verleumdungen holte Erdogan in der Vergangenheit mehrmals zum Frontalangriff auf den deutschen Nationalstolz aus. Das vergangene Nazitum wurde von ihm immer wieder brühwarm aufgegossen. „Ich lasse mich nicht beleidigen“, war die verärgerte Reaktion einer Mainburgerin aus dem Publikum.
Erdogans Verbalangriffe kommen aber nicht von ungefähr. Die Medien würden eine Mitschuld tragen, hieß es. Wer ihn etwa als „Despote aus dem osmanischen Reich“ bezeichnet, der brauche sich nicht zu wundern, wenn entsprechend darauf reagiert würde.
Der Kelheimer Landrat und langjährige Integrationsbeauftragte der Staatsregierung findet, die emotionale Hysterie im türkischen Wahlkampf wirke manipulativ auf die rationale Meinungsbildung.
Stadtoberhaupt Josef Reiser (SLU) sieht das Verhältnis zwischen beiden Kulturen zwar schwierig, da es seiner Meinung nach nur punktuell ein Miteinander gebe, doch er selbst meinte zu seiner Rolle: „Ich bin Bürgermeister aller Nationen, egal wo sie herkommen!“.
Dass jetzt Misstrauen geschürt werde, tue ihm weh, obwohl man jahrzehntelang versucht hat, Vertrauen zwischen beiden Ländern aufzubauen. „Lasst uns friedlich miteinander umgehen“, lautete Reiser Appell zum Ende der Sendung um Punkt 21 Uhr.
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