Kanonendonner in Scheyern
(Scheyern, rt)
Wer sich am kommenden Wochenende Scheyern nähert, sollte sich vorsorglich mit Ohrenstöpseln ausstatten und den Familienhund erst gar nicht dort Gassi führen. Denn von Samstag bis Sonntag donnern dort die Kanonen bei wilden Scharmützeln rund um den Prielhof. Hellebarden und Spieße kommen zwar auch zum Einsatz, machen aber deutlich weniger Lärm.
Hunderte Mitglieder des Bunds oberschwäbischer Landsknechte (BOL) treffen sich zum sogenannten Waffendrill, eine Übung im Umgang mit Waffen, und schlagen am kommenden Freitag an die 100 historischen Zelte zum Heerlager auf. Das eigentliche Spektakel ist am 16. bis 17. April und nicht für die Öffentlichkeit geplant, darauf weisen die Veranstalter extra hin: „Besucher sind willkommen, es ist jedoch keine öffentliche Veranstaltung mit Verkauf von Speisen und Getränken.“ Allerdings sollten jene, wie eingangs erwähnt, nicht vergessen, einen Gehörschutz mitzubringen.
Taktische Kampfspiele
„Samstag und Sonntag findet tagsüber ein taktisches Spiel auf dem Gelände mit Reiterei, Kanonenböllern, Schützen und Spießgesellen mit viel Krach und Rauch statt“, so die Mitorganisatoren Axel und Elisabeth Ziegler. Besonders das "Scharmützel um die Scheyerner Reliquie", das vor und im Klosterinnenhof am Samstag gegen 16 Uhr und am Sonntag gegen 11 Uhr stattfinde, sei sehenswert. „Auch der abschließende Sturm auf den Prielhof am Sonntag gegen 14 Uhr ist nichts für schwache Ohren, aber ein Augenschmaus“, so die Organisatoren in ihrer Ankündigung. Gleichzeitig werde darum gebeten, den Anweisungen dieses Sicherheitspersonals Folge zu leisten, um eine potentielle Gefährdung für Unbeteiligte zu vermeiden. Hundebesitzern wird empfohlen, ihre Gassirunden in der Nähe des Prielhofes morgens bis 9 Uhr, mittags zwischen 12 Uhr und 13 Uhr und abends ab 19 Uhr zu drehen.
So laufen die Gefechte
Zum Ablauf der Handlung: Es wird zwei feindliche Gruppen geben, die im sogenannten „feindlichen“ Außenlager und der „feindlichen“ Drillwiese, den Prielhof einsehen können. Die „klösterliche“ Prielhofgruppe bewacht die Reliquie - das Scheyrer Kreuz -, das von den Feinden zu erbeuten versucht wird. Die feindlichen Söldner sollen immer wieder aus unterschiedlichen Richtungen versuchen, mit leichter Artillerie oder Kavallerie und mit Hilfe eingeschleuster Spione das Kloster angreifen. Es wird ein Lazarett geben und eine Prozession zum Kloster Scheyern sowie Scharmützel, die vielleicht auch den Klosterbiergarten betreffen könnten.
Historischer Hintergrund des Geschehens:
Patriarch Fulcherius (Fulko) von Jerusalem (1146-1157) hatte einen Kanoniker namens Konrad mit einem Kreuzpartikel nach Europa gesandt, um Almosen zur Erhaltung der heiligen Stätten zu sammeln. Diese Reliquie des Heiligen Kreuzes trägt die Bezeichnung "Scheyrer Kreuz".
Die Grafschaft Dachau fiel danach an die Wittelsbacher, die als die Erben auch die Herausgabe der Kreuzreliquie von den Äbten forderten. Mehrfach versuchten die Herzöge von Bayern seitdem auch mit Gewalt, die Kreuzreliquie in Ihren Besitz zu bringen. Die Mönche schafften es allerdings immer rechtzeitig, die Reliquie an einem geheimen Ort innerhalb des Kloster zu verstecken.
Herzog Ludwig X. von Bayern (1495 – 1545, Reg. 1514 – 1545) hatte als zweitgeborener Sohn nach dem Tod des Vaters, der die Unteilbarkeit der bayerischen Lande festgelegt hatte, eigentlich keinen Anspruch auf ein größeres Erbe oder eine Beteiligung an der Regierung Bayerns. Als er volljährig wurde, forderte er dennoch von seinem Bruder, Herzog Wilhelm IV. (Reg. 1508 – 1550) die Mitregierung ein und bat Kaiser Maximilian I. um Hilfe. Die Landschaft befürchtete bereits eine Neuauflage des Landshuter Erbfolgekrieges. Beiden Herzögen ist übrigens das „Reinheitsgebot“ des Bieres von 1516 zu verdanken.
Auf das Drängen der Landstände hin akzeptierte Wilhelm IV. am 17. Februar 1514 die Mitregierung. Schon bald rückte er jedoch davon ab und bereitete sich auf einen Waffengang gegen seinen Bruder vor. Hierzu warb er u.a. ein kriegsgeübtes Regiment Knechte unter dem Obristen Gunter Herzberger zu Sternenfels an.
Um seinen Herrschaftsanspruch zu untermauern, forderte Herzog Ludwig seinerseits vom Abt des Klosters Scheyern nun die Herausgabe des Scheyrer Kreuzes, das ihm beim bevorstehenden Waffengang mit seinem Bruder den Sieg bescheren soll. Da ihm dieses verweigert wurde, warb auch er Knechte an, die das Kreuz auf irgendeine Weise in ihre Gewalt bringen sollen und bereits seit Tagen in der Umgebung des Klosters umherstreifen.
Eine günstige Gelegenheit dazu bietet sich während Prozession zum Fest der Kreuzauffindung, bei der die Reliquie aus ihrem geheimen Versteck geholt und mitgeführt wird.
Herzog Wilhelm dagegen respektiert die Besitzrechte des Klosters an der Kreuzreliquie und unterstützt den Abt Markus. Das Regiment des Obristen Gunter Herzberger zu Sternenfels hat deshalb den Auftrag, die Reliquie vor Diebstahl (Herzog Ludwig X. soll schon zu damaliger Zeit Spione eingesetzt haben) und während der Prozession zu schützen.
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