Rohrbach - Die Kulturmetropole Bayerns
(Rohrbach, rs)Gewinner des German Blues Award 2015, die aktuelle CD nominiert für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik: mit Ignaz Netzer eröffnete am Samstagabend einer der wohl renommiertesten und international anerkanntesten deutschen Blues-Musiker die 2016er Spielzeit im Rohrbacher Incontri. Gitarren sind seine Leidenschaft, den Blues hat er im Blut. Würde er nicht so herrlich schwäbeln in seinen Ansagen, man würde seine Herkunft problemlos in die Südstaaten verlagern.
Die Halle war voll, Qualität spricht sich eben doch herum. Denn einen großen Namen hat er wahrlich nicht in der kommerziellen Welt der Musik, der Ignaz Netzer. Drei Gitarren hatte er auf die Bühne mitgenommen, mehr als 40 dieser Instrumente habe er daheim im Allgäu. "Ich sammle Katzen und Gitarren", lässt er das Publikum wissen. Eine Gitarre am Samstagabend auf der Bühne war jedoch ein ganz besonderes und erwähnenswertes Exemplar: eine original Dobro National Steel Guitar nämlich aus dem Jahr 1933, gefertigt aus Metall, ursprünglich in Kalifornien als "Hawaii-Gitarre" zum Einsatz gekommen. Durch die Resonanzen als Konsequenz ihrer Bauart enthält sie quasi einen eigenen mechanischen Lautsprecher, wodurch die Melodien wesentlich lauter hervorkommen als bei herkömmlichen akustischen Gitarren.
Präsentierte stolz sein liebstes Kind: Ignaz Netzer und seine Dobro National aus dem Jahr 1933
"You gotta move", komponiert in den 40er Jahren von Mississippi Fred McDowell, in den 70ern wiederentdeckt von den Rolling Stones, schien Ignaz Netzer passend, auf der Dobro gespielt zu werden. Auch andere Klassiker unterschiedlicher Genres übernahm er in sein Programm. "Corinna, Corinna" etwa - und ja: es war eine Corinna im Publikum! - oder auch das Kris Kristofferson Meisterwerk "Me and Bobby McGee", zu einem Nummer-1-Hit geworden in den 70ern durch die unvergessene Janis Joplin.
Eigenkompositionen aus seiner 2015 erschienen, 16. (!) und für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominierten CD "When the Music is Over" ergänzten die Setlist. "Brown Monkeys" etwa, das er - wie er das Publikum mit offensichtlich nicht aufgesetzter, düsterer und ernster Miene wissen lässt - "nicht für, sondern gegen jemanden" geschrieben hat; gegen 3 Neo-Nazis nämlich, denen er eines Nachts begegnet war und denen er in einer Textzeile seine Meinung zu deren Gesinnung zusammenfasst: "We don't want to have them any more". Es sei - so der Musiker - wieder an der Zeit, dieses Lied zu spielen, obgleich er jedes Mal froh sei, wenn es vorüber ist. Man sah es seinem Gesichtsausdruck uneingeschränkt an.
Ansonsten erwies Ignaz Netzer sich als ein Musiker, dessen Wirkungsfeld sich über eine Reihe von Stilrichtungen ausdehnt. Kein Wunder, bringt doch der Blues an sich diese vielen Einflussfaktoren mit sich. Vom seiner Meinung nach und oben schon erwähnten "schönsten Liebeslied, das jemals geschrieben wurde" aus der Feder von Kris Kristofferson bis hin zu teils instrumentalen Rhythm & Blues Klassikern und hinein in die Tradition des Gospels. Bei "Jesus On The Mainline" müsste man als Interpret eigentlich etwas wie Ignaz and the Rohrbach Gospel Choir nennen und diese Formation in Harlem auftreten lassen; der Erfolg wäre ihnen sicher.
Ein fantastischer Start war das zweifellos in die neue Saison des Incontri Kulturvereins. Mit Folk, Jazz, Swing und Chanson warten die Organisatoren bis Mitte April noch auf. Eines jedenfalls ist immer garantiert bei den Konzerten in der Rohrbacher Kulturwerk-Halle: die Musiker kann man hautnah erleben, die Musik ist handgemacht und in ihrer jeweiligen Stilrichtung bodenständig, und das Publikum ist durchwegs "eine Bank". Weshalb sonst kämen wohl so viele Künstler so gerne in die - wie Ignaz Netzer es nannte - "Kulturmetropole Bayerns"?
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