Ab in die Tonne mit existenzgefährdender Bürokratie - Ministerpräsident ist jetzt gefordert
(Wolnzach, rt)Verbandsvertreter forderten heute eine Überarbeitung des Mindestlohngesetzes, das ihrer Meinung nach mit zu viel Bürokratie verbunden ist und die sich am Ende sogar existenzgefährdend auswirken könnte.
In einer gemeinsamen Aktion wenden sich der Bauernverband und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft gegen unzumutbare Regeln bei Umsetzung des Mindestlohngesetzes. Im Landkreis Pfaffenhofen trafen sich am heutigen Vormittag die Verbandsvertreter der Landwirte und Mittelstands-Unternehmer auf dem Hof von Max Weichenrieder, Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband (BBV), und beschrieben ein besorgniserregendes Szenario. Für den Verbraucher könnte das am Ende auch noch teuer werden.
Seit dem 01. Januar gilt in Deutschland ein branchenübergreifender, allgemeiner Mindestlohn in Höhe von brutto 8,50 Euro pro Stunde. Während der nächsten drei Jahre kommt in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau eine Übergangsregelung mit brutto 7,40 Euro (Westdeutschland) beziehungsweise 7,20 Euro (Ostdeutschland) zum Tragen. Für die betroffenen Landwirte, Gewerbetreibende, Verbände und Unternehmer ist allerdings nicht der neue Mindestlohn der Stein des Anstoßes. Vielmehr ist es der damit verbundene Verwaltungsaufwand zur Umsetzung dieser nun gesetzlich vorgeschriebenen Regelung. Die unterschiedlichsten Standesvertreter befürchten kurz- bis mittelfristig etwa die Vernichtung von kleineren und mittelgroßen Betrieben vielerlei Branchen und dazu eine Verteuerung von Lebensmitteln sowie anderer Waren und Dienstleistungen, die der Verbraucher womöglich nicht hinnehmen will.
An praktischen Beispielen dargelegt haben die vertrackte Situation heute neben dem selbst von dieser Bürokratiekrake betroffenen Hopfenanbauer Weichenrieder auch Adolf Schapfl (Präsident des Hopfenpflanzerverbandes Hallertau), Walther Pittroff (Direktor der BBV Hauptgeschäftsstelle Oberbayern), Anton Kreitmair (CSU-Landtagsabgeordneter und BBV Bezirkspräsident von Oberbayern), Ernst Läuger (Präsidiumsmitglied der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft), BBV-Kreisbäuerin Erna Stanglmayr und Spargelanbauer Otmar Schiebel. Unisono fordern sie, dass die mit dem Mindestlohngesetz verbundenen bürokratischen Regelungen „in die Tonne“ kommen: Der enorme Aufwand zur Dokumentation werde zusehends zur betriebsgefährdenden Belastung.
Nichts mehr aus regionaler Erzeugung
„Für Familienbetriebe, die mit Aushilfen und Saisonarbeitskräften ihre Arbeitsspitzen bewältigen, beispielsweise bei der Ernte, bedeuten die Dokumentationspflichten im Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine bürokratische Überlastung“, moniert Weichenrieder. „Aufwand und Nutzen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis." Mit dieser Einschätzung dürfte sich der BBV-Kreisobmann mit vielen Handwerkern, dem Hotel- und Gaststättengewerbe und dem gesamten Mittelstand einig sein. Die Folge der derzeitigen Regelung werde letztlich der Abbau von Arbeitsplätzen und die Verlagerung des Anbaus arbeitsaufwändiger Sonderkulturen in Regionen außerhalb Deutschlands sein. Der Bauernvertreter sieht gleichfalls das Ende der Praktikantenplätze kommen, denn kaum noch jemand - mit Ausnahme vielleicht von Großbetrieben mit entsprechender Verwaltung im Rücken - werde noch bereit sein, sich den damit verbundenen Aufwand anzutun. Ebenfalls gefährdet sieht Weichenrieder unter den jetzigen Voraussetzungen insbesondere den künftigen Anbau von Sonderkulturen. Dieser könnte sich mehr und mehr ins Ausland verlagern. Von frischer Ware aus der Region könne dann nicht mehr die Rede sein.
Gefängnis droht
Alle Beteiligte an der heutigen Aktion übten scharfe Kritik an der Umsetzung des Mindestlohngesetzes, das nach umfangreichen Aufzeichnungen und Meldungen verlangt. Aus der Sicht der Landwirte ist entscheidend, dass Aufzeichnungspflichten für kurzfristige Beschäftigte wie Saisonarbeitskräfte ersatzlos gestrichen werden. Außerdem, so die Forderung der Bauernvertreter, sollten mitarbeitende Familienangehörige vom Mindestlohn und den Aufzeichnungspflichten ausgenommen werden. Landwirtschaftliche Arbeiten, wie etwa im Hopfen, seien witterungs- und wuchsabhängig, so Schapfl. Selbst die Saisonarbeiter würden nicht einsehen, weshalb sie wegen der verlangten zehn Stunden Arbeitszeit am Tag viereinhalb Tage arbeiten und zweieinhalb Tage pausieren sollten. „Die Arbeiter wollen in kurzer Zeit ihr Geld verdienen und dann wieder nach Hause fahren.“ Die Wünsche der Arbeitnehmer würden von der Politik in dieser Hinsicht nicht respektiert. Künftig werde man in vielen Bereichen um die Hälfte mehr Leute für die Arbeiten benötigen. Dies müsse zwangsläufig zu Kostensteigerungen führen, die sich schon bald negativ auf die jeweilige Konkurrenzsituation auswirken könnten. Es sei darüber hinaus schon allerhand, dass es sich bei Verstößen gegen das neue Gesetz nicht mehr um Ordnungswidrigkeiten handle, sondern es schon in Richtung Straftat gehe. Unfreiwillig Fehler zu machen bei der Durchführung der verlangten Maßnahmen sei jedoch praktisch schon vorprogrammiert.
Weltfremde Forderungen
Kreitmair, selbst auch noch als Gemüseanbauer tätig, weiß, dass es „bei der Ernte um die Einbringung und Verarbeitung von verderblichen Lebensmitteln geht“, dafür und bei vielen anderen saisonalen Arbeitsspitzen seien die derzeitigen Regeln nur als „weltfremd“ zu bezeichnen. Bei der Erarbeitung des Mindestlohngesetzes seien „katastrophale Fehler passiert.“ Die „Umgangsformen gegenüber den zu prüfenden Unternehmen gehen einfach nicht“, sagt Kreitmair im Hinblick auf die vom Zoll zu überwachenden Regelungen. Bekanntlich werden diese Kontrollen von den Beamten bewaffnet und in Uniform durchgeführt.
Überzogen und unverhältnismäßig
„In der Landwirtschaft stehen wir vor dem besonderen Problem, dass die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes in den ersten drei Jahren vom Arbeitnehmerentsendegesetz überlagert werden; das hat zur Folge, dass nicht nur für kurzfristig Beschäftigte wie Saisonarbeitskräfte taggenaue Aufzeichnungen erfolgen müssen, sondern für alle Beschäftigten“, sagt Pittroff. Sachleistungen wie Kost und Logis könnten nicht mehr wie bisher auf den Lohn angerechnet werden, sondern müssten höchst umständlich gesondert geregelt werden, Dies sei ein besonderes Ärgernis für alle Unternehmen in denen mitarbeitende Familienangehörige den Betrieb voranbringen wollten.
Armutszeugnis der Politik
„Die Bürokratielawine muss sofort gestoppt werden“, fordert Läuger, der die nun geltenden Regelungen „vollkommen überzogen und unverhältnismäßig“ und sie für einen „Angriff auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Unternehmen“ und nicht der Lebensrealität entsprechend hält. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft fordere unter anderem, dass die Aufzeichnungspflicht bei geringfügig Beschäftigten aus dem Gesetz gestrichen werden müsse. Unternehmen dürften nicht mehr unter „Generalverdacht“ gestellt werden.
Wenn jetzt nicht über alle Parteigrenzen hinweg zurückgerudert werde, dann sei das „ein Armutszeugnis der Politik“, so Kreitmair, der jetzt auf ein Machtwort des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) hofft. Mit ihrer Aktion wollen die Verbandsvertreter ein Umdenken in der Regierungskoalition erreichen. Doch dass es kurzfristig zu einer praktikablen Änderung kommt, davon ist niemand von ihnen so recht überzeugt. Aufgeben wollen sie aber nicht in ihrem Bestreben, die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf ein für alle Beteiligten erträgliches Maß zu bringen.
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