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Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker bei „Pro Wirtschaft“


Das Pfaffenhofener Wirtschaftsnetzwerk „ProWirtschaft“ brachte einen der profiliertesten und gefragtesten Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsexperten in die Kreisstadt. Der stellvertretender Vorsitzender Dieter André hatte sich intensiv bemüht, diesen vielbeschäftigten Wissenschaftler nach Pfaffenhofen zu holen. Auch wenn es anfangs als unmöglich erschien, klappte es zum Schluss eben doch. Und der volle Saal im Stockerhof zeigte, dass er Recht hatte. Mit Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker setzte ProWirtschaft die Reihe seit 2011 mit Topreferenten auch in diesem Jahr fort.

 

Das Jahr kann gar nicht so viele Tage haben, wie Professor Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Vorträge halten könnte. Der Diplom-Physiker, promovierte Biologe und aktuelle Ko-Präsident des Club of Rome ist nicht nur in Deutschland einer der begehrtesten Referenten zu Entwicklungsfragen und zur Nachhaltigkeit. Die Veranstalter reißen sich förmlich um ihn und so muss er sorgfältig auswählen, wem er seine Zusage gibt. Dass ProWirtschaft zu diesem erlauchten Kreis gehört, beweist einmal mehr, dass Pfaffenhofen mit seinem Engagement für Nachhaltigkeit inzwischen Beachtung findet. Und als Bestätigung für diese These war der Besuch einer städtischen Delegation in Düsseldorf zur Verleihung des Nachhaltigkeitspreises, für den auch Pfaffenhofen sich beworben hatte. Und wie es nicht treffender hätte sein können, bekam Bürgermeister Thomas Herker just am Abend des Vortrages von Prof. Weizsäcker diesen Preis überreicht. Leider konnte das Ergebnis nicht mehr direkt in den Vortrag von Prof. Weizsäcker einfließen.

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker wurde 1939 als Sohn des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker (1912–2007) geboren. Er ist ein Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Seine Studienabschlüsse 1965 in Hamburg (Physik-Diplom) und 1969 in Freiburg (Dr. rer. nat. Biologie) markieren den Beginn einer beeindruckenden beruflichen Vita. Hier nur die wichtigsten Stationen:
1975–1980: Präsident der Universität/GH Kassel
1981–1984: Direktor am UNO Centrum für Wissenschaft und Technologie, New York
1984–1991: Direktor des Instituts für Europäische Umweltpolitik, Bonn, London, Paris
1991–2000: Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie
1998–2005: Mitglied des Bundestages (SPD)
2006–2008: Dean der Donald Bren School for Environmental Science and Management, University of California, Santa Barbara, USA
seit 2008: Freiberuflich in Emmendingen tätig, u. a. als Honorarprofessor an der Uni Freiburg mit drei Professuren (Forst- und Umweltpolitik, Environmental Governance sowie Wald- und Forstgeschichte).
Bei den vielen nebenberuflichen Tätigkeiten als Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsexperte ragt das Engagement im renommierten Club of Rome heraus. Ernst Ulrich von Weizsäcker gehörte dem – im positiven Sinne – Eliteclub seit 1992 an. Seit 2012 ist er Ko-Präsident dieser Vereinigung von ausgesuchten Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik aus allen Regionen unserer Erde. Sie wurde 1968 von dem FIAT-Manager Aurelio Peccei und dem OECD-Generaldirektor Alexander King in Rom ins Leben gerufen, mit dem Ziel, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen.
Als Ko-Vorsitzender ist der 74-Jährige seit 2007 auch für das „International Panel on Sustainable Resource Manage“ tätig und von 2008 bis 2009 war er Ko-Vorsitzender China Council Task Force f. Economic. Instruments for Energy Efficiency and the Environment. Außerdem ist er u.a. Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften (seit 1997) und der World Academy of Art and Science (seit 2005).


Prof. Weizsäcker signiert seine Bücher


Auch als Autor zahlreicher Bücher hat sich Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker seit Erscheinen seiner ersten Publikation 1970 einen großen Namen gemacht. Zwei Werke ragen dabei besonders heraus: „Faktor Vier. Doppelter Wohlstand, halbierter Naturverbrauch“ (1995 erschienen und 1997 in zwölf Sprachen übersetzt) und Folgebuch „Faktor Fünf: Die Formel für nachhaltiges Wachstum“. Das aktuelle Werk des 74-Jährigen in Zusammenarbeit mit Karlson Hargroves und Michael Smith ist 2009 in englischer Sprache erschienen und 2010 in Deutsch und Chinesisch.


Das Wirken von Ernst Ulrich von Weizsäcker wurde bereits mit einer Reihe hoher Auszeichnungen gewürdigt: 1977 Pfaff Preis für Initiativen im Bildungswesen, 1989 Premio de Natura, Rom (gemeinsam mit der langjährigen norwegischen Premierministerin Gro Harlem Brundtland), 1991 Ehrenprofessur an der Technischen Universität Valparaiso (Chile), 1996 Duke of Edinburgh-Goldmedaille des WWF International, 2001 Ehrendoktor der Soka-Universität (Japan), 2002 Takeda Award for Environmental Excellence, 2008 Deutscher Umweltpreis, 2009 Großes Bundesverdienstkreuz.

trotz körperlicher Beeinträchtigung (ging an zwei Stöcken) wirkte er aktiver als viele Jüngere


Diese umfangreiche Darstellung zeigt, welch eine wissenschaftliche Kapazität sich die Vereinigung Pro Wirtschaft nach Pfaffenhofen geholt hat. Und leider gibt es in Deutschland zu wenige Wissenschaftler und Zukunftsprognostiker, auf die die wirtschaftlichen und politischen Kreise hören, denn es gibt schon heute Ideen und konkrete Vorschläge, wie sich unser Land und auch die Welt zum Positiven verändern könnte. Weizsäcker wies in seinem Vortrag darauf hin, dass Nachhaltigkeit eigentlich schon immer im Denken der Menschen verankert war, denn schon in der Waldwirtschaft wusste man, dass man nicht mehr aus einem Wald herausnehmen kann, als wieder nachwachsen kann. Gleiches galt in der Landwirtschaft, dass Böden nicht dauernd mit den gleichen Früchten bebaut werden dürfen, sondern zur Sicherung der Ertragsfähigkeit der Böden ein Fruchtwechsel notwendig ist. Er ging ein auf den Klimawechsel und die Auswirkungen, die jetzt gerade wieder auf den Philippinen zu erleben waren. Der Klimawandel wird gerade auf den Weltmeeren deutlich mit einer Wassererwärmung und den daraus resultierenden Wirbelstürmen. Er ging ein auf die Verknappung der Rohstoffe und die Abfallwirtschaft, die immer noch zu viele seltene Rohstoffe vernichtet (gut 99% der „seltenen Erden“), statt sie wiederzuverwerten. Er ging ein auf Wissenschaftler, die von Konzernen bezahlt werden, damit sie falsche Gutachten schreiben, damit die Bevölkerung nicht die Wahrheit über bestimmte Themen erfährt. Er griff die USA an, die eine weltweite Klimapolitik blockierten und rief Europa dazu auf, nicht weiter auf die USA zu warten, sondern allein voranzugehen, um damit auch den Entwicklungsländern zu zeigen, dass die Industrienationen bereit sind zum Wechsel der Klimapolitik, denn seit 2009 stagniert diese Politik. Er machte deutlich, dass eine Reduzierung von CO2 nicht gleichzeitig bedeuten muss, auf Wohlstand zu verzichten. Er forderte mehr klimaneutrales Wohnen, Energieeffizienz bei Häusern, im Verkehr und bei der Stadtentwicklung. Weizsäcker geißelte auch das kurzfristige Unternehmerdenken der Manager, die im Gegensatz zu Familienbetrieben immer nur kurzfristige Gewinnziele im Auge hätten und nicht die langfristige Sicherung des Unternehmens. Und die Bildung lag ihm besonders am Herzen. Hier fordert er weniger „Kästchendenken“, sondern eine integrative Bildung, die die verschiedensten Wissensgebiete zusammen führt, statt sie zu zersplittern. „Wenn Deutschland die nachhaltige Wirtschaft zum Programm macht, werden wir mit Europa und den asiatischen Staaten führend in der Welt sein“.

(Fotos WK/MH)

 

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