Hopfenexperten unter sich
(Wolnzach, ted)So etwas hat es auf der Lauterbacher Bühne auch noch nie gegeben: Dr. Johann Pichlmaier (HVG), Peter Hintermeier (Barth) und Pascal Pironé tragen nicht nur ihre Länderberichte vor, abgestuft nach USA, restliche Welt und BRD, sondern werden von Dr. Pichlmaier in der Diskussion durch Fragen gelöchert bzw. fragen zurück – bei sehr freundschaftlicher Atmosphäre.
Die Entwicklung in Amerika
Im Detail: Pascal Pironé von Hopsteiner beurteilte den Hopfenmarkt 2016 in den USA. Hopsteiner und Barth-Haas zählen selbst zu den größten Hopfenproduzenten der USA und können so aus verschiedenen Perspektiven berichten. Die USA fuhr 2016 die größte Hopfenernte aller Zeiten ein auf der Rekordfläche von 21.537 ha, das sind 17 % mehr als 2015. Davon liegen 851 außerhalb der bisher bekannten und erfahrenen Gebiete. Dort probieren sich Neuanfänger im Hopfenbau, angelockt von den hohen Preisen, aber ohne echte Zukunftsüberlebenschance.
Die Hochalphasorten wurden weiter durch Aromasorten ersetzt (- 13 % Hochalpha, Aroma + 27 %), so dass nun nur noch gesamt 19 % Hochalphaflächen und 81 % Aromaflächen bestehen, wobei allerdings neue Aromahopfen auch ein hohes Alpha aufweisen können. Andererseits stoßen Cascade und Centennial an ihre Absatzgrenzen. Die speziellen Aromasorten von Barth und Steiner tragen das Wachstum. Deshalb werden beide Häuser ihre Flächen ausweiten. Ob der Flächenzuwachs 2016 so groß sein wird wie in 2015 sei ungewiss, aber wahrscheinlich.
Die Erträge der Aromasorten lagen 2016 stabil gut, während die verbliebenen Hochalphahopfen wie z.B. ZTC 15 % den Durchschnitt nicht erreichten wegen Roter Spinne, Mehltau u.a.. Die Gesamtalphamenge blieb bei 2015, allerdings ersetzte das „Aromaalpha“ das „Hochalpha-Alpha“, was einen Faktor von über 2 bedeutet.
Der weltweite Biermarkt stagnierte 2016. In den USA legten die Craft-Brauer weiter gut zu, allerdings nur noch mit einstelliger Wachstumsrate. 14,3 % der US-Biere waren 2016 Craft-Biere. Das Ziel von 20 % in 2020 ist noch realistisch. Dabei werden Craft-Brauer auch als solche weiter gezählt, auch wenn sie von Großbrauereien wie z.B. AB-Inbev übernommen wurden. Es zählt vielmehr die stark unterschiedliche Hopfung der Biere. Weltweit gäbe es einen Craft-Bier-Anteil von 2,1 %, wovon 1,6 % auf die USA entfallen. In Europa sind die Craft-Brauer in Italien, Frankreich, Spanien, Skandinavien und Großbritannien im Kommen.
Entscheidend sind die USA. Dort flacht sich der Boom deutlich ab. Craft-Brauer entdecken, dass sie für zu viel Hopfen Verträge geschlossen haben und wollen sie strecken oder reduzieren. Damit kehren sich die Vertragspreise für Aromahopfen um. Vertragspreise sinken erstmals seit Boombeginn. Aber auch mit 19 – 22.000 €/ha lässt sich noch gut wirtschaften. Piroué sprach von einem „Einkehrschwung“. Die Vertragsquote lag 2016 bei 85 – 90 %, aber 2021 beträgt sie derzeit nur 50 %, wobei wegen des engen Verhältnisses Händler – Pflanzer die Zahlen nicht so auf die BRD zu übertragen seien.
In der BRD seien die Ernte 2017 und 2018 entscheidend, wobei die USA immer dynamischer auf Marktveränderungen reagieren kann. In der Diskussion wollte HVG-Chef Dr. Johann Pichlmaier wissen, ob Wechsel von Aroma- auf Hochalphahopfen anstünden, zumindest als Gedankenspiel. Fazit der Experten: die Hochalphafläche der USA wird 2017 nicht mehr abnehmen. Die US-Pflanzer akzeptieren das Preisniveau des Herkules. Das bedeutet die Trendwende am US-Hopfenmarkt bzw. eine Halbierung der Hektarerträge in den USA.
Peter Hintermeier, zugleich derzeitiger Sprecher des Hopfenwirtschaftsverbands (der Händler und Verarbeiter), referierte über die Ernten in Europa, BRD ausgenommen. Tschechien weitete seine Fläche um knapp 10 % aus und kam 2016 auf 7.700 t (Durchschnitt 5.900 t). Das Alpha lag gar 50 % über Durchschnitt. Der Saazer wurde bei 9,25 – 10 €/kg gehandelt. Die Ernten 2017 und 2018 sind ausverkauft. In der Fläche könne nicht mehr reagiert werden, da schwierige Eigentumsverhältnisse bestünden. Es seien 2017 nur noch 100 ha mehr drin.
Polen fuhr 2016 2.500 t Hopfen ein, mit 210 t Alpha, beide Werte etwas über Durchschnitt. Lokale Umweltschäden wirkten sich aus. Der Freimarkt entwickelt sich in Polen immer spät. Es wurden 5,40 €/kg bei Magnum und 7 €/kg bei Lubliner bezahlt. Die neue Sorte Magnat soll den Magnum ablösen. Für sie wurden 5,70 €/kg abgeschlossen. Polnische Pflanzer versorgen vordringlich polnische Brauer.
Slowenien brachte es auf 1.484 ha wegen Hagels nur auf eine durchschnittliche Ernte von 2.476 t. Das Alpha lag aber höher, bei 145 t. Slawinsky-Gold-Freihopfen erzielte 10 €/kg. Die Kontraktquote erreichte 2016 80 %.
China verliert jede Bedeutung für den Welthopfenmarkt. Die Farmen nehmen in Zahl und Größe ab. Auf 1.910 ha wurden 4.900 t mit 330 t Alpha geerntet. Aus 2015 seien noch 700 t unverkauft. Es bestehen nur geringe Abnahmevereinbarungen. 2016 werden die Lager weiter steigen. 2017 wird ein weiterer Rückgang der Produktion angenommen.
Ein absoluter Rekord für Deutschland
Dr. Pichlmaier ging auf Deutschland ein. Mit 42.800 t wurde 2016 ein Rekord aufgestellt. Die Ernte lag 14 % über Durchschnitt und 50 % über dem sehr schwachen 2015. 740 ha Neufläche kamen 2016 hinzu, davon 731 ha mit Herkules, Rest Mandarin Bavaria (2015: 550 ha Gesamtneufläche, 2014 450 ha). Bei den Sorten findet ein Umbau statt (Magnum – 150 ha, Traurus – 100 ha). Auch Perle und Hallertauer Tradition werden weniger angebaut.
Beim Alpha wurde 2016 ein Allzeitrekord aufgestellt: 4.650 t erntefrisch. Alle Verpflichtungen aus der Unterlieferung in 2015 konnten ausgeglichen werden. Das Preisniveau stieg trotzdem, schlechtestenfalls stagnierte es. Feine Aromasorten wie Saphir, Select, Tettnanger und Spalter waren knapp und werden es auch bleiben. Bei Cascade, Tradition, Mandarin Bavaria und Melan Blanc seien genügend angebaut. Hier kam es zu keinen Preissteigerungen. Amarillo kommt 2017 mit 300 ha auf den Markt. Der Ertragsunterschied zwischen Herkules und Magnum hat sich aufgehoben.
Die Laufzeiten der Neuverträge gingen bis auf 10 Jahre. Aus Sicht der Betriebe lief alles sehr positiv. Es kann wieder investiert werden. Das Preisniveau fördert die Flächenausweitung. Bis 2020 besteht eine sehr hohe Vertragsquote. Exakte Zahlen gebe das Meldesystem derzeit nicht her. Für die Zukunft werden die Vertragslaufzeiten zurück gehen. Dr. Pichlmaier sieht eine steigende Konkurrenz bei Hochalpha aus den USA. Generell wird alles vorsichtiger gesehen. Dennoch wird für 2017 mit einer Flächenausweitung wie in 2016 gerechnet, d.h. 450 ha für Herkules, der derzeit am Weltmarkt konkurrenzlos steht.
In ungewohnte Tiefen führte die anschließende Diskussion. Nochmal wurde verdeutlicht, dass 2,1 % des Weltbierkonsums, nämlich die Craft-Biere, für den Hopfenmarkt entscheidend sind. Sie fordern 40 % des Welthopfenangebots und zwar die komplette US-Ernte. Durch das reduzierte Wachstum der Craft-Bier-Szene in den USA bestehe eine Überkontrahierung, die die Craft-Brauer entweder verschieben oder abbauen möchten. Der Handel bietet den Pflanzern einen Vertragstausch und eine Verkürzung der Vertragslaufzeiten. Am Bitterhopfenmarkt bestimmt der Herkules den Marktpreis, ist die Preisleitsorte. Sollten US-Pflanzer wieder vermehrt in die Bitterhopfenproduktion gehen, müssten sie das europäische Preisniveau dafür akzeptieren. Auch die Euro-Dollar-Relation stehe dem entgegen. Es sollen aber ertragsstarke US-Bitterhopfen bald in den Boden gehen, die dem Herkules Paroli bieten könnten. Andreas Widmann, der Vorsitzende des Rings junger Hopfenpflanzer fragte nach der Zukunft des Hallertauer mittelfrüh. Dr. Pichlmaier erklärte, dass der größte Abnehmer dieser Sorte, die Boston Beer Company, in Absatzprobleme geraten sei und deshalb nicht die volle Vertragsmenge abnehmen könne. Da diese Hopfen am Markt sonst nicht untergebracht werden können, wurden Flächen dieser Sorte reduziert und den betroffenen Pflanzern die Abnahme anderer Sorten wie z.B. Herkules geboten. Diese Umdrehung der Sorten sei vollzogen. Neuverträge für den Hallertauer mittelfrüh wird es auf absehbare Zeit nicht geben.
Dann standen die hohen Deckungsbeiträge der US-Hopfen in der Kritik. Hintermeier und Piroué erklärten sie mit den hohen Investitionen in die Flächenausdehnung. Diese müssten in kürzester Zeit aus den Deckungsbeiträgen finanziert werden. Es werde sehr viel Geld bewegt. Dr. Pichlmaier wies auf die hohe Verschuldung der US-Pflanzer hin. Darin stecke auch ein viel höheres Risiko. Dennoch: 2016 sind 500 Mio. $ an die US-Pflanzer gegangen. 2014 waren es noch 260 Mio. $.
Die Craft-Brauer produzieren weltweit derzeit 40 Mio. Hektoliter, 30 Mio. in den USA. 40 Mio. Hektoliter sollten es 2020 in den USA sein. Trotz verlangsamtem Wachstums sei dies noch zu schaffen. Aber es könnte sein, dass die Hopfennachfrage nicht ebenso steigt, und zwar wenn Großbrauereien durch Übernahmen ihre Hopfungstechnik einbrächten bzw. neue Benchmarks für die Hopfung bei den Craft-Brauern entstünden. Piroué stellte heraus, dass der US-Markt sehr sortenspezifisch sei. Doch die US-Pflanzer könnten auf Verlagerungen sehr viel schneller reagieren. Steiner legt derzeit 150 ha in neue Aromasorten ein. Es gibt zur Zeit 60 US-Hopfensorten.
Die Teilung des Weltmarkts sei vollzogen: die Großbrauereien der USA und alle Brauer der Welt haben sich der Hallertau zugewandt. Deshalb die starke Nachfrage nach Herkules und die hohe Preislage. Andererseits bleibe der Markt für deutsche Flavorhops sehr begrenzt. Dr. Pichlmaier mahnte zur Zurückhaltung. Eine Flächenausdehnung dürfe nur über Verträge erfolgen. Generell sei der Markt knapp zu halten. Hintermeier: „Es sind hervorragende Sorten, doch sie dürfen nicht verramscht werden!“ Der Markt müsse den Hopfenbau ziehen. Der Hype bei den Flavorhops aber sei vorbei. Callista und Ariana müssten greifen, bevor die bisherigen Flavorhops am Markt gepuscht werden.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.