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»Null bis unendlich« - Lesung von und mit Lena Gorelik

(Pfaffenhofen, rs)

Nicht ihr Werk "Die Listensammlerin" stand im Mittelpunkt beim Besuch der Schriftstellerin und Journalistin Lena Gorelik, wie es noch für die Lesung im Juni - damals im Rahmen des Pfaffenhofener Kultursommers - geplant gewesen war. Mittlerweile ist ihr neuester Roman "Null bis unendlich" erschienen und so war es naheliegend, dass es bei dieser Lesung in erster Linie um dessen Entstehung und Inhalte ging.

Etwa 60 Literatur-Interessierte hatten sich in der Aula des Pfaffenhofener Schyren-Gymnasiums eingefunden, um eine Autorin "der neuen Generation junger Juden in Deutschland" live zu erleben, "die sich über ihre Zukunft, nicht über ihre Vergangenheit definieren wollen." (Klappentext "Lieber Mischa"). In der Begrüßung entschuldigte Gorelik sich zunächst für den im Sommer ausgefallenen Termin, auch der Nachholtermin wäre um ein Haar in Frage gestellt worden. Denn der Rowohlt-Verlag hatte just an diesem 30. September, für den die Pfaffenhofener Lesung terminiert war, eine Reihe von Presseterminen in Berlin angesetzt. Zu allem Überfluss waren auch noch Handwerker in ihrer Münchener Wohnung, die beaufsichtigt gehört hätten.

Nun, sie war da am Mittwochabend. Der Flug war zwar auch noch verspätet, so dass die Abholung vom Flughafen um geplant werden musste; aber: sie war da! An ihrer Seite am Referententisch nahm Roland Scherer Platz, Mitglied des Lehrerkollegiums im Gymnasium und selbst Schriftsteller. In einem Wechsel aus Vorlesen ausgewählter Passagen ihres Buches und Hintergrundfragen von Scherer an die Gast-Autorin lernte das Publikum sowohl Inhalte von "Null bis unendlich" als auch den Menschen und Charakter der Lena Gorelik kennen.

Die Eltern hätten sie seinerzeit besorgt gefragt, ob sie doch hoffentlich neben dem Schreiben auch noch was Richtiges machen würde, begann sie die Information bezüglich ihres Werdegangs als Journalistin und Schriftstellerin. Ein einschneidendes Erlebnis sei die Durchsprache ihres ersten Manuskripts mit ihrer damaligen Verlegerin gewesen: die habe das Werk um annähernd die Hälfte des Textes gekürzt und wollte mit der angehenden Schriftstellerin nur noch über Passagen sprechen, die jetzt nicht mehr vorhanden seien, an die sich die Autorin aber dennoch erinnern könne. Es waren derart nicht so viele, wie Lena Gorelik erkennen und zugeben musste. Eine Frage Scherers verursachte ganz offensichtlich Zwiespalt in Goreliks Gefühlswelt: ob sie denn selber in Bosnien gewesen sei, schließlich spiele ihr aktueller Roman in wesentlichen Zügen in der Region des ehemaligen Jugoslawien. Nein, sie sei nie dort gewesen und habe sich auch immer wieder gefragt, ob es eine Anmaßung sei, dennoch darüber zu schreiben. Viele Interviews habe sie geführt und sich das Bild der Region und des Lebens dort darüber zusammen gesetzt.

Es war interessant, über die Lesung nicht nur Inhalte des Romans "Null bis unendlich" kennen zu lernen, sondern auch die Person der Autorin dahinter. Lena Gorelik hat sich in Pfaffenhofen als Mensch und Autorin präsentiert, die sehr genau beobachtet, vieles wiederkehrend in Frage stellt und darüber offensichtlich permanente Entwicklungen durchläuft ("Na hoffentlich", so ihre spontane Reaktion, von Scherer darauf angesprochen). Sie schreibt - wie sie sagt - immer und überall und identifiziert sich voll und ganz mit ihren Figuren. "Die Figuren leben immer mit; wenn ich nach einer Lesung am nächsten Morgen frühstücke, dann sind sie immer noch dabei."

1981 in Leningrad geboren emigrierte Lena Gorelik 1992 mit ihrer russisch-jüdischen Familie nach Deutschland. Sie absolviert eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München und schreibt u.a. für die Süddeutsche Zeitung und Die Zeit. 2004 veröffentlicht sie mit "Meine weißen Nächte" ihren ersten Roman. Es folgen u.a. "Verliebt in Sankt Petersburg. Meine russische Reise" (2008) und " Lieber Mischa ... Du bist ein Jude." (2011). Für "Die Listensammlerin" erhält die Autorin 2014 den Buchpreis der Stiftung Ravensburger Verlag. Ihr neuester Roman "Null bis unendlich" ist im August 2015 bei Rowohlt erschienen.

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