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Weniger Fleisch = mehr Qualität?

(Pfaffenhofen , rt)

Kann die kleinbäuerliche Landwirtschaft überhaupt noch überleben und hat der Verbraucher mit seiner Kaufentscheidung irgendeinen Einfluss angesichts einer mittlerweile internationalen Dimension in der Fleischproduktion? Diese und andere Fragen erörtern und gleichzeitig den „Fleischatlas“ vorstellen - darum ging es, als die Petra-Kelly-Stiftung in den Pfaffenhofener Moosburger Hof rief, um über die unterschiedliche Aspekte der industriellen Fleischproduktion mit dem Publikum zu diskutieren.

Unter der Überschrift „Tiere als Nahrungsmittel: Daten – Fakten – Konsequenzen – Maßnahmen“ artikulierten auf dem Podium Agrarwissenschaftlerin Christine Chemnitz von der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung, der Tierarzt und Landtagskandidat der Grünen für den Stimmkreis Neuburg-Schrobenhausen, Rupert Ebner, sowie Biobauer Stefan Kreppold aus Aichach ihre Meinung dazu. Die Moderation übernahm Gerd Rudel, Bildungsreferent der Petra-Kelly-Stiftung, der dazu extra aus Bamberg angereist war.

Natürlich war die Veranstaltung auch eine Plattform, den Ingolstädter Grünen-Kandidaten für den Landtag auch im hiesigen Landkreis bekannt zu machen. Ebner ist schließlich auch Direktkandidat für die Wähler aus den Gemeinden Gerolsbach, Hohenwart und Scheyern, die nach der umstrittenen Reform zu seinem Stimmkreis zählen.

Doch hinter dem lokalpropagandistischen Aspekt steht freilich auch die hehre Forderung der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nach einer Kehrtwende in der Agrarpolitik. Zusammen mit der angesehenen Le Monde Diplomatique, einer Monatszeitung für internationale Politik, verantwortet das Trio als Herausgeber den „Fleischatlas“, der textlich wie grafisch anschaulich die globalen Auswirkungen des steigenden Fleischkonsums darstellt.

Eindrucksvoll demonstrierte Chemnitz mit einer Grafik aus dem Werk, dass ein Bundesbürger in seinem Leben gut und gerne je vier Rinder und Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner vertilge. Das war Grundlage genug für die etwa 20 Zuhörer für einen zugegebenermaßen moderaten verbalen Schlagabtausch. Denn grundsätzlich war man sich im thematisch offenkundig einschlägig vorbelasteten Publikum mit den Podiumsmitgliedern einig: Agrarförderung ja, jedoch müsse sie neu definiert werden, Förderung der Agrarindustrie nein; ferner eine artgerechte Nutztierhaltung unter zurückhaltender, dafür sachgerechter Verwendung von Antibiotika; zudem den Verzehr von Fleisch deutlich reduzieren. Qualität vor Quantität, lautet die griffige Formel dazu. Deutlich in diese Richtung ging Kreppold, mittlerweile Austragslandwirt, mit seinem Wunsch für die nahe Zukunft nach einer „Halbierung des Fleischkonsums in den nächsten zehn Jahren bei Verdoppelung des Preises, verbunden mit artgerechter Haltung und besserer Qualität.“ Investitionen, gar subventionierte, in die Intensivhaltung, dies sei der falsche Weg. Rinder etwa, die sich vor der Schlachtung nur vom Gras heimischer Wiesen ernährten, das schwebe ihm dagegen vor.

Für „verwerflich“ hält Ebner den strategischen Einsatz von Medikamenten bei Nutztieren, die zudem oftmals falsch dosiert oder auch, einmal angewandt, zeitlich zu kurz gegeben würden. Geradezu unverständlich, wenn nicht skandalös, sei die Tatsache, dass die seit dem Jahr 2006 in der EU verboten Leistungsförderer im Tierfutter nun wieder als Arzneimittel Eingang in die Tierhaltung fänden. „Der Verbraucher wird es nicht richten können“, mutmaßte Ebner und plädiert deshalb für staatlichen Einfluss. Doch die „Grenzen von Frau Aigner setzt der Lobbyismus“, ist der Grünen-Landtagskandidat mit einem Schlenker zur Bundesagrarpolitik überzeugt. Doch müsse dem Missbrauch von Tierarzneimitteln endgültig ein Ende bereitet werden; ein verantwortungsvoller Umgang damit, freilich auch zum Schutz der Verbraucher, sei unerlässlich.

Eine Umkehr sollte es nach Ebners Ansicht bei den Flächenprämien für die Landwirte geben, etwa nach dem Motto: „Öffentliche Gelder nur für öffentliche Leistungen“.

Den Einwurf aus dem Publikum, die Grünen hätten sich bei ihrem Einsatz für Biogasanlagen auf einen Irrweg begeben, den zuzugeben niemand wage, bezog Ebner deutlich Stellung: „Biogas in dieser Form muss gestoppt werden“. Dabei gab er zu, dass die Grünen durchaus ein Problem mit diesem Thema hätten.
Gleichzeitig bedauerte Ebner, dass ausgerechnet in Pfaffenhofen sozusagen die Wiege des unkontrollierten Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung war. Ebner spielte auf dabei auf die vor Jahrzehnten mit der Auflösung eines Pharmakonzern-Standortes einhergehende Verwertung von Wirkstoffresten an.

Kreppold und Chemnitz waren einer Meinung als es um die Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf die Drittländer ging. Diese lasse die EU völlig außer Acht. Schluss sein müsse auch mit den Verpackungslügen, wonach es nur „glückliche Kühe und ebensolche Bauern“ gebe. Die Aufklärung der Verbraucher, was bei ihnen unter welchen Umständen als Nahrungsmittel auf den Tisch komme, müsse forciert werden. Dies sollte bereits in der Schule geschehen.


Informationen zur thematischen Auseinandersetzung liefert der Fleischatlas, der als PDF im Internet zum Herunterladen ist: http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/landwirtschaft/130108_bund_landwirtschaft_fleischatlas.pdf

 

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