hallertau.info News

Toter Hund im portugiesischen Kreisverkehr

(Wolnzach, lot)
Lebendige, lebende Geschichten im Stil-Wirt, und der Mann nennt sich Dad Horse Ottn: Neben seinen kabarettistischen Qualitäten legte er auch zwei Banjos und eine Mandoline in die Gaststube an der Wendenstraße bereit für seine Art Musik: „Und das ist nicht der Gospel, den ihr in der Kathedrale von Wolnzach hört!“

Ralph „Dee“ Simon und Philipp „Schreib-einfach-Phil“ Schlegel stimmten die Gäste mit zwei Gitarren auf akustischen Folk-Rock ein, und dann kommt Dad Horse Ottn. Der Mann im grauen Anzug, schwarze Krawatte, weiß gepunktet, nimmt noch ein Schlückchen Hustensaft direkt aus der Flasche, stellt eine Tasse Tee in Reichweite und zieht sich die Schuhe aus: Für das Basspedal zu seinen Füßen braucht es Zehenspitzengefühl!

Und nicht nur das hat Dad Horse Ottn: „Das ist Keller-Gospel, was ich hier mache“, und mit einem „Knaller“ möchte er gleich beginnen: „Das Keller-Gospel-Manifesto!“ Begleitend wurschtelt Ottn in seinen Textblättern, fabuliert über seine kürzlich über ihn gekommene Weitsichtigkeit, der er mit fünf Brillen – für einen Euro bei Rewe – vergeblich zu Leibe rückt und die er mit der leuchtenden Hoffnung erträgt, einmal als „Blind Willy Ottn“ Karriere zu machen.

In diesem Mantel des trockenen Humors lässt er dann seine Songs tanzen, Banjo, Kazoo und Mandoline werfen musikalische Funken in die Abgründe des menschlichen Leidenswegs, und Ottn nimmt seine Zuhörer mit lyrischer Macht und klagendem Gesang an die Hand, auf dass sie nicht abstürzen in die Welt, die so ist, wie sie ist.

Als begnadeter Geschichtenerzähler präsentiert Ottn auch die Antworten auf die letzten Fragen der Menschheit, singt Lieder – „Kann ich’s hier wagen?“ –, in denen Jesus, die CIA und Muhammad Atta in einer Strophe vorkommen oder das Leben als Warten definiert wird: „Ihr habt gewartet, bis ich anfange; nun wartet ihr, bis ich aufhöre; dann wartet ihr, bis ihr einschlafen könnt, und ihr wartet, bis ihr wieder aufwacht …“

Und über allem glitzert – rot, grün, gelb und blau und zärtlich über des Stil-Wirts Klavier drapiert – die Lichterkette im Rhythmus der Ottnschen Lebensweisheiten, im Kellergospel adäquat verpackt: „Wir müssen einfach akzeptieren, dass wir alle einen an der Waffel haben.“

Dazwischen plaudert Ottn über seine Reisen durch die USA und Europa, eruiert die Gründe für die Variabilität toter Tiere neben europäischen Autobahnen und findet die Wahrheit in der Mitte eines portugiesischen Kreisverkehrs, den Hunde als „Geschäftsplatz“ nutzen: „Wir sind doch alle Wunderkerzen, die in diesen Haufen stürzen und erlöschen.“
Fffschscht! Dad Horse Ottn lässt die Wunderkerze zischend sterben, um sie gleich wieder zurückzuholen: „Das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit – die andere Hälfte ist: Wir sind auch der Hund!“


 

 

 

 

Bis in der späten Abend geht der Ritt auf diesem schrägen, lyrischen, musikalischen magischen Teppich weiter, das Publikum singt mit, und Ottn relativiert: „Ich hab mir heut ein Bein ausgerissen, aber ganz war ich noch nie!“ So wunderbar und wunderschön hat sich beim Stil-Wirt schon lange keiner mehr ein Bein ausgerissen, und so faszinierend wie Ottn ist wohl auch keiner so schnell in der Lage, ein „Dad Horse“ derart elegant durch die Absurditäten des Daseins zu reiten.

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.