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Landeshaushalt 2017/18 - volle Kassen, aber keine Gestaltung

(Reichertshausen, rs)

"Frau Stamm, Sie haben das Zeug zur Ministerin!" Kann man sich eine beeindruckende Abschlussbemerkung vorstellen als dieses Lob eines Zuhörers des Vortrags, den die Landtagsabgeordnete der Grünen, Claudia Stamm, am Dienstagabend in Reichertshausen gehalten hat? "Grüne Haushaltspolitik - Mit Prioritäten gut gerüstet in die Zukunft" war das Thema, vorgestellt wurde einerseits der alternative Haushaltsentwurf der Grünen-Fraktion, andererseits wurden konkret die Bedenken und Ungereimtheiten des Haushaltsplans der Landesregierung adressiert.


Kreis- und Ortsvorstand trifft Landtag: Theresa Stumpf, Norbert Ettenhuber, Helmut Schnapp, Claudia Stamm, Kerstin Schnapp (von links)

Doppelhaushalt 2017/18 der Landesregierung
Als "ideenlos und nicht generationengerecht" bezeichnet die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im bayrischen Landtag den vorliegenden Doppelhaushalt 2017/18. Es werden dabei keinerlei Prioritätengesetzt, sondern eher nach dem Gießkannenverfahren verteilt. "Der Finanzminister verkündet absolut nichts Neues, er reagiert nur", vermisst sie zukunftsweisende Vision und gestalterische, lenkende Schwerpunkte. Bayern , so Claudia Stamm weiter, stehe definitiv gerade auch im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr gut da, das wolle sie in keiner Weise infrage stellen; man müsse aber auch berücksichtigen, was zumindest teilweise der Preis für Haushaltskonsolidierungen sei.

So würden Rücklagen der Staatsregierung zwischen 2013 und 2018 (Laufzeitende des aktuellen Doppelhaushalts) von 6 Mrd.€ auf 1,5 Mrd.€ zurückgeschraubt, gleichzeitig sorge der Staat nicht für ausreichende Absicherung seiner Staatsbediensteten, weil Pensions-Rückstellungen einfach ignoriert würden und ein ehemals vorhandener Pensionsfond eingestellt worden sei, "weil man eine andere Schiene fährt", um Bayern 2030 schuldenfrei machen zu können; wesentliche Budgets landeten darüber hinaus in Nachtragshaushalten, einen solche erwarte sich Claudia Stamm ziemlich zeitnah nach den nächsten Landtagswahlen, die voraussichtlich im Herbst 2018 anstehen. "Die CSU profitiert von der Zinspolitik und trotzdem kann sie aber ihren Haushalt nur über einen kräftigen Griff in die Haushaltsrücklage finanzieren; es sind über 1,7 Mrd. €, die die CSU vom »Sparbuch Bayern« abheben will." Deklariert werde das Ganze von der Staatsregierung als die "größte Steuersenkung aller Zeiten", eine tragfähige Gegenfinanzierung stehe aber aus.


Aufmerksames Publikum bei einem hochinteressanten Vortrag trotz trockenen Themas

Energiewende und Klimaschutz
Die Themen Energiewende und Klimaschutz seien bei der CSU zutiefst unterrepräsentiert; das Einsetzen von Energiemanagern, der Aufbau von Energiezentren sowie ein Förderprogramm für die energetische Sanierung - alles auf kommunaler Ebene -, das sind im Haushaltsentwurf der Grünen Schwerpunktthemen, die nicht oder viel zu wenig Berücksichtigung fänden. "Dem CSU-Entwurf fehlt zu 100% die Ausrichtung in die Zukunft, es ist keine Energiewende zu sehen." Wohl gebe es im Wirtschaftsministerium neue Stellen, um die Energiewende zu managen; dies sei aber ein vollkommen falscher Ansatz, denn die Energiewende müsse dezentral gesteuert werden.

Business-Plan für die Behörden-Verlagerungen?
700 neue Stellen seien geschaffen worden - oder werden in den kommenden 3 Jahren noch geschaffen - für die Behörden-Verlagerungspläne des "selbsternannten Heimatministers" Söder. Ausgewiesene Fachleute, die nicht mit ihrer Behörde mitgehen wollen oder aus familiären Gründen können, müssen an neuer Stelle adäquat ersetzt werden und an ihrem Wohnsitz ein neues Einsatzgebiet finden. Sie habe bisher keine Zahlen in Erfahrung bringen können, wie teuer diese Verlagerungen den Steuerzahler letztendlich kommen werden, so Claudia Stamm. "Die Maßnahme ist ja noch nicht abgeschlossen", so lautet die unbefriedigende Antwort auf aktuelle Nachfragen. Wo denn hier der "Business Plan" sei, diese Frage müsse wohl erlaubt sein.

Schwerpunkte im Haushaltsentwurf der Grünen
"Wir schichten um zugunsten von Klimaschutz, investieren ordentlich in solide Kommunalfinanzen und in Bildung", fasst Claudia Stamm Eckpfeiler des Grünen-Haushaltsentwurfs zusammen. Man könne sich nicht - darüber seien sich alle im Klaren - bei Jedermann "Lieb Kind" machen, Politik müsse aber gestalten und klar sagen, was die Prioritäten sind. Dazu gehöre auch zu sagen, was man sich leisten könne oder vielleicht auch nicht müsse. "Unser Haushaltsentwurf setzt auf Generationengerechtigkeit statt PR-mäßiger Schuldentilgung mit falschen Versprechen und falschen Zahlen. ... Wir denken an die Kinder von heute und an später, wenn sie erwachsen sind."

Zetsche als Gastredner auf dem Parteitag?
In der dem Vortrag anschließenden Diskussion erfuhren die interessierten Zuhörer unter anderem, dass Claudia Stamm sich mit der Einladung an Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Grünen-Parteitag am vergangenen Wochenende nicht identifizieren kann. Miteinander reden sei etwas anderes, als jemandem auf einem Parteitag eine Plattform zu bieten, nicht mit den Grundsätzen der Partei konforme Strategien darzustellen. Das "Projekt Europa", wie sie es nannte, sei wahnsinnig wichtig, müsse aber alles in allem transparenter werden und dürfe vor allem nicht von einem dauernd präsenten Lobbyismus getrieben werden.


Helmut Schnapp hatte Claudia Stamm eingeladen und bereitete den Zuhörern damit einen interessanten Abend.

"Was geschieht eigentlich mit der Verteilung öffentlicher Gelder", diese Frage stellte sich Helmut Schnapp, Vorsitzender des Grünen-Ortsverbands Reichertshausen und hatte Claudia Stamm daher zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion eingeladen. Und das war gut so ... mit deutlichen Worten nannte die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion die wesentlichen Kritikpunkte beim Namen und zeigte dabei uneingeschränkte Kompetenz und Argumentationssicherheit. Viele der Teilnehmer werden einige Posten des Doppelhaushalts für sich jetzt kritischer betrachten. Die Veranstaltung hatte nur ein Manko: sie hätte wesentlich mehr Publikum verdient gehabt als gekommen war!
 

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