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Groko, Jamaika oder Neuwahl – was passiert in Berlin?

(Wolnzach/Berlin, hr)

Es war ein Paukenschlag, der in der Nach von Sonntag auf Montag für ein politisches Erdbeben sorgte. FDP-Parteichef Christian Lindner erklärte den Ausstieg aus den Sondierungsgesprächen und damit auch das vorzeitige Ende einer möglichen Jamaika-Koalition. Und jetzt? Wie geht es weiter, wird es Neuwahlen geben oder findet sich doch noch eine stabile Mehrheit? Die beiden Abgeordneten Erich Irlstorfer (CSU) und Dieter Janecek (Bündnis 90/Grüne) waren in Berlin an den Verhandlungen beteiligt und schildern die Situation aus ihrer Sicht.

Mehr denn je ist in den letzten Tagen der Ruf nach Neuwahlen laut geworden. Während die einen sie fordern, um vielleicht mehr Mandate zu erringen, stellt sich die Frage, ob das im Sinne Deutschlands ist, nur wenige Wochen nach der Bundestagswahl die Bürger erneut an die Urnen zu rufen. Geschichtlich fühlt man sich schon, auch wenn die Umstände heute doch andere sind, ein wenig in die Weimarer Republik zurückversetzt. Auch damals mangelte es letztlich an stabilen Mehrheitsverhältnissen. Eine Staatskrise war die Folge. Nun ist man aktuell noch weit von Weimarer Verhältnissen entfernt, dennoch die aktuelle Lage ist eine große Herausforderung.

Gerade vor diesem Hintergrund appellierte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) an die Verantwortung. „Jede Partei, jeder Abgeordnete, wir alle sehen uns in der Pflicht, inhaltlich umzusetzen, wofür wir im Wahlkampf geworben haben. Aber zum Wählerauftrag gehört eben auch der Auftrag an uns alle, Mehrheiten zu bilden, eine handlungsfähige Regierung zu ermöglichen. Man kann unterschiedlicher Meinung darüber sein, wie regiert werden soll. Aber klar ist, dass regiert werden muss. Beides ist der Auftrag, den die Wähler erteilt haben, und mit beidem müssen wir als politisch Verantwortliche gewissenhaft umgehen.“ Er in seiner gestrigen Eröffnungsrede vor dem Bundestag sprach dabei aber zwar von einer großen Herausforderung, auch auch von einer lösbaren Aufgabe.

Eine Ansicht, der sich auch der Freisinger Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU) anschloss: „Wenn sich jemand zur Wahl stellt, dann muss er auch bereit sein Verantwortung zu übernehmen.“ Einer Mitarbeit dürfe man sich nicht verweigern, fügte er weiter an. Genau diese Verweigerungshaltung attestierte sein Parlamentskollege und Wolnzacher Dieter Janecek (Bündnis 90/Grüne) der FDP. Aus seiner Sicht war der Ausstieg der FDP kalkuliert. „Der Vorschlag beinhaltete zentrale Punkte, die die Liberalen gefordert hatten“, so Janecek. Der Grünen-Politiker verwies dabei nicht nur auf die Digitalisierung die maßgeblich die Handschrift der FDP trägt, sondern auch auf die Finanzpolitik. Auch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages war eine zentrale Forderung der Liberalen. So ist es für den Grünen auch wenig nachvollziehbar, dass die Gespräche zu diesem Zeitpunkt abgebrochen wurden. „Auch wir mussten schmerzhafte Zugeständnisse machen“, so Janecek, „haben aber doch mit dem Kohleausstieg, mehr Klimaschutz und ökologischem Landlandbau sowie einem stärkerem Tierschutz einer ganzen Reihe von Themen unsere Handschrift geben können.“

Ob sich FDP-Chef Christian Lindner mit seinem Nein zu Jamaika verzockt hat, das wird sich zeigen. Viel spannender ist jetzt die Frage, wie es weitergehen wird. Darauf hat auch Erich Irlstorfer keine klare Antwort. „Wir wollen uns der Regierungsverantwortung stellen.“ Dass die Union dies kann, das hat sich aus seiner Sicht schon während den sehr komplexen Sondierungsgesprächen gezeigt. „Wir sind inhaltlich sehr aufgestellt.“

Doch am Ende des Tages zählt nicht alleine die Fachkompetenz, sondern ob man im Parlament eine Mehrheit hat. Aktuell ist diese für die Union nicht in Sicht. Nachdem die SPD bereits am Wahlabend ihren Gang in die Opposition angekündigt hat und nun auch noch die FDP aus den Verhandlungen ausgestiegen ist, bleibt es rund acht Wochen nach der Wahl fraglich, wer am Ende mit wem regieren wird. Während sich Janecek dabei lieber schnelle Neuwahlen als eine allzu lange Hängepartie wünscht, sieht Irlstorfer den Ball im Moment im Spielfeld von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Dieser hat die Parteivorsitzenden zu Gesprächen über eine künftige Regierung geladen. „Ich hoffe, dass diese Gespräche einen Einfluss haben werden und dass man so zu einer stabilen Regierung kommen wird“, so Irlstorfer.

Neben Neuwahlen oder einer Neuauflage der großen Koalition wird aktuell auch über eine Minderheitsregierung spekuliert. Wer aber würde die Minderheitsregierung stützen? Eine FDP, die sich gerade erst aus den Gesprächen verabschiedet hat, oder eine SPD, die ohnehin nicht in die Regierung will? So bleibt hinter dieser Option, vor dem Hintergrund, dass man eine stabile Regierung für die kommenden Jahre braucht, ein großes, um nicht zu sagen ein überdimensionales Fragezeichen. „Eine solche Regierung wäre schwach“, so Janecek.
 

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