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Ein Desaster nimmt seinen Lauf

(Pfaffenhofen, rt)

Fotos: Pixabay

 

Ein angespannter Wohnungsmarkt und stetig steigende Mietpreise, die sich viele nicht mehr leisten können – es sind drängende Probleme, die nicht nur Großstädte betreffen. Auch die Gemeinden und Städte im Landkreis Pfaffenhofen bleiben davon nicht verschont. Verschärft wird diese Situation landauf landab durch Tausende Flüchtlinge, die ebenfalls eine Bleibe suchen. Und es werden wohl noch sehr viel mehr werden, die künftig ein Zuhause benötigen.

Wenn Asylbewerber zu anerkannten Geflüchteten werden, folglich hierzulande für einen gewissen Zeitrahmen bleiben dürfen und weiterhin in den staatlichen Unterkünften leben, werden sie „Fehlbeleger“ genannt. Diese gehen dann in der Regel auf Wohnungssuche und reihen sie sich in die Schlange der Einheimischen ein, die ebenfalls nach Möglichkeit in einer für ihre finanziellen Verhältnisse bezahlbaren Wohnung leben wollen. Damit beginnt der erste Konflikt: So mancher Vermieter hat gewisse Vorbehalte, seine Räume an Menschen insbesondere afrikanischer oder asiatischer Herkunft zu vermieten. Dem abhelfen soll unter anderem ein sogenannter Miet(er)führerschein, den die hiesige Caritas, das Landratsamt Pfaffenhofen und der Reichertshofener Asylhelferkreis mit Unterstützung des Landratsamts den Asylanten anbieten. Seit wenigen Wochen gibt es wieder einen solchen im Rahmen des Landkreis-Projekts Mieterqualifizierung. Diesmal in Vohburg. „Das selbständige Wohnen in den eigenen vier Wänden ist ein wichtiger Baustein für gelingende Integration“, sagt Christine Pietsch, neue Sachgebietsleiterin für Integration in der Kreisbehörde. Acht Bleibeberechtigte werden von den Ehrenamtlichen Ralf Faigle und Samira Peter nach dem sogenannten „Neusässer Konzept“ geschult und erfahren, wie sich Mieter verhalten sollten und welche Rechte und Pflichten sie aus einem Mietvertrag haben. Fünf Module à zwei Stunden sind dafür angesetzt.

Finanzielle Mittel spielen nicht die Hauptrolle

In Reichertshofen hat der örtliche Asylhelferkreis bereits gute Erfahrungen mit dem Konzept gemacht und nachdem insgesamt 17 Flüchtlinge daran teilgenommen hatten, konnten daraufhin fünf Familien eine Wohnung auf dem freien Markt in der Marktgemeinde und der näheren Umgebung finden. Der Caritas-Kurs verfolgt hingegen ein eigenes Konzept, das übrigens vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bezuschusst wird. „Der Kurs der Migrationsberatung richtet sich an alle Migranten, die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben und mehr über das Thema Mieten in allen Zusammenhängen wissen möchten“, so Jenny Nguemakwe Poungom von der Migrations- und Asylsozialberatung des Caritas-Zentrums in Pfaffenhofen. Der Mieterführerschein sei jedoch kein Wundermittel.

„Menschen ausländischer Herkunft haben es grundsätzlich schwerer eine Wohnung zu finden. Dabei spielen die finanziellen Mittel nicht die Hauptrolle. Diese Mitmenschen haben es mit Vorurteilen und Diskriminierung zu tun, die man nur langsam durch Aufklärung und Sensibilisierung abbauen kann.“ An dem Pfaffenhofener Kurs nahmen sieben Asylanten teil. „Inwieweit die Teilnehmer nach dem Kurs eine Wohnung gesucht beziehungsweise gefunden haben, ist mir leider nicht bekannt“, so Nguemakwe Poungom.

Ein weiteres Problem können die hohen Mieten in der Region darstellen, sobald ein Wohnungssuchender einen entsprechenden Leistungsanspruch vom Jobcenter hat. So werden beispielsweise laut Mietrichtwert für eine 50 Quadratmeter große, von einer Person bewohnten Wohnung in Pfaffenhofen 380 Euro, in Geisenfeld und Wolnzach 331 Euro und in den restlichen Landkreisgemeinden 374 Euro übernommen. Bei drei Personen gibt es für eine bis zu 75 Quadratmeter große Wohnung 541, 475 oder 537 Euro. Hinzu kommen ebenfalls gestaffelt nach Wohnfläche und Personenzahl Sätze für Heizkosten und „Kalte“ Nebenkosten. Die Schwierigkeit besteht darin, auf dem auch hier überhitzten Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden, die die jeweiligen Parameter nicht übersteigt.

 

 

Begrenzt oder nicht begrenzt …

Erfolge wie jene in Reichertshofen dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass fehlender Wohnraum ein immenses Problem für die Kommunen bleibt. Das liegt unter anderem auch daran, dass mit weiteren Asylsuchenden und Zuwanderern gerechnet werden muss. Spätestens seit den jüngsten Sondierungsverhandlungen von Union und SPD ist zu ahnen, von welchen Dimensionen dabei auszugehen ist. So steht in dem finalen Ergebnispapier wörtlich: „Bezogen auf die durchschnittlichen Zuwanderungszahlen, die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre sowie mit Blick auf die vereinbarten Maßnahmen und den unmittelbar steuerbaren Teil der Zuwanderung – das Grundrecht auf Asyl und die GFK bleiben unangetastet – stellen wir fest , dass die Zuwanderungszahlen (inklusive Kriegsflüchtlinge, vorübergehend Schutzberechtigte, Familiennachzügler, Relocation, Resettlement, abzüglich Rückführungen und freiwilligen Ausreisen künftiger Flüchtlinge und ohne Erwerbsmigration) die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden.“

SPD-Parteichef Martin Schulz interpretierte diese Textpassage in einem Fernsehinterview so, dass es nach oben hin keine zahlenmäßige Zuwanderungs-Grenze gibt. Dagegen sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer auf Nachfrage unserer Zeitung: „Im Rahmen der Sondierungsgespräche wurde vereinbart, dass die jährliche Zuwanderungszahl auf die Spanne von 180.000 bis maximal 220.000 Flüchtlinge begrenzt wird. Eine von der SPD geforderte Nachverhandlung einzelner inhaltlicher Punkte lehnen wir als CSU ausdrücklich ab. Inwiefern Herr Schulz einzelne Punkte interpretiert, spielt erst einmal keine Rolle; es gilt das, was wir in den Sondierungsgesprächen vereinbart haben.“ Maßgebend wird freilich sein, was bei den Koalitionsvereinbarungen, so es dazu kommt, in Form gegossen wird.

 

 

Praxisfremder Familiennachzug

Darüber hinaus soll anstelle des bisherigen, vorübergehend ja ausgesetzten Gesetzes mit einem generellen Familiennachzug für subsidiär Geschützte eine Neuregelung erfolgen, wonach 1000 Menschen pro Monat der Nachzug nach Deutschland ermöglicht wird. Im Gegenzug sollen die EU-bedingten 1000 freiwilligen Aufnahmen pro Monat von Migranten aus Griechenland und Italien auslaufen. Doch wohin mit den Familienangehörigen? Bislang sagt dazu niemand etwas.

Vielleicht auch deshalb, weil alles noch komplizierter wird oder schon ist: „In der Bundesrepublik gibt es derzeit etwa 390.000 Leute, die nach den gesetzlichen Vorgaben bereits jetzt einen Schutzstatus besitzen, wonach sie einen Anspruch auf Familiennachzug haben“, mahnt der christsoziale Landtagsabgeordnete Karl Straub. Viele dieser Leute seien derzeit dabei, ihre Familien nachzuholen. „Hierzu muss man ganz deutlich sagen, dass diese Familienangehörigen dann über das Visa-Verfahren zu uns kommen und in der Asylstatistik nicht mehr vorkommen.“

Straub macht deutlich, dass er nichts davon halte, „wenn beispielsweise Menschen mit subsidiärem Schutzstatus noch ihre Familie hierher holen, obwohl klar ist, dass sie in nächster Zeit wahrscheinlich wieder in ihre Heimatländer zurückkehren“, etwa weil dort Kriegshandlungen beendet seien. Die Forderung nach Familiennachzug sei einfach praxisfremd. „Für bedürftige Einheimische und gleichzeitig für jene, die gesetzlichen Anspruch auf Familiennachzug haben und zusätzlich auch noch all die, die diesen Anspruch nicht haben (wie Teile der SPD, der Grünen und der Linken fordern), Wohnungen bereitzustellen und dann gleichzeitig den Flächenverbrauch, wie ja ebenfalls gefordert wird, zu verringern – das alles kann nicht zusammengehen.“

Dabei habe er ja Verständnis dafür, dass ein Familienvater seine Frau und Kinder hier bei sich haben will, „aber das ist in der Realität einfach nicht immer umzusetzen. Wir diskutieren alles nur noch ideologisch und nicht vernunftgesteuert und vergessen dabei, dass man Forderungen auch praktisch umsetzen können muss.“ Ein Patentrezept zur Lösung des Wohnungsproblems hat auch Straub nicht. „Ich weiß nicht, wo all diese Menschen, die bereits über einen rechtlichen Anspruch hierzubleiben besitzen, unterkommen sollen und dazu noch ihre Angehörigen, die vermutlich bald im Rahmen eines Familiennachzuges hier eintreffen werden.“

Die Gemeinden, die zur Versorgung anerkannter Asylbewerber im Rahmen der Obdachlosenhilfe verpflichtet sind, seien nicht in der Lage, den dafür benötigten Wohnraum aufzutreiben. „Hinzu kommt verschärfend, dass die meisten Ausreisepflichtigen unser Land nicht verlassen. Die Gründe dafür sind vielfältig aber auch darin zu suchen, dass gerade die deutsche Rechtsprechung viel Raum lässt, eine Abschiebung erfolgreich zu verhindern. Das wird von den Ausreisepflichtigen ausgiebig genutzt. Was wir jetzt sehen, habe ich bereits vor zwei Jahren vorhergesagt und dafür bin ich auch noch übelst angefeindet worden.“

Was kommt in der Flüchtlingsfrage noch von der EU?

Ein Ausweg über den sozialen Wohnungsbau ist nicht einmal mittelfristig in Sicht. "Es ist dringend geboten, neuen Wohnraum zu schaffen, und zwar schnell", erklärt der Städtetag bereits vor einiger Zeit und appellierte: „Bauen, Bauen, Bauen!" Bis genügend bezahlbare Wohnungen in größerer Menge gebaut sind, wird es noch Jahre dauern. Doch erste Schritte in die empfohlene Richtung werden schon gemacht: So will sich die Gemeinde Ernsgaden bald im sozialen Wohnungsbau versuchen und ist kürzlich in die Planungen dafür eingestiegen. Bis zu zehn Wohnungen, vielleicht sogar in einem dreigeschossigen Gebäude, könnten dann in dem Ort entstehen. Damit würde in der Ortsbebauung Neuland betreten aber eben auch dem Flächenfraß entgegengewirkt. Mit Spannung darf erwartet werden, wie das Landratsamt im Genehmigungsverfahren darauf reagieren wird.

"Wir müssen vermeiden, dass gerade in Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten die Alleinerziehenden, Arbeitslosen oder Geringverdiener mit den Flüchtlingen um solche Wohnungen konkurrieren", mahnte der Städtetag bereits vor einiger Zeit. Doch die möglichen Konkurrenten werden nicht weniger. Sorgen bereitet manchen Politikern etwa das Europäische Parlament (EP), das Änderungen an Gesetzesinitiativen der Kommission zur Reform der Dublin-Regeln vornehmen will. Diese haben zum Inhalt, dass nicht mehr automatisch das Land, in dem ein Flüchtling die EU erreicht, für dessen Asylverfahren zuständig sein soll, sondern eventuell das Land, in dem bereits Angehörige des Bewerbers leben. Somit müsste Deutschland wesentlich mehr Asylsuchende aufnehmen.

„Eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), darunter auch eine Reform der Dublin-III-VO, wird schon seit fast zwei Jahren auf EU-Ebene verhandelt“, sagt dazu Irlstorfer. Es sei zutreffend, dass das EP nun einen Vorschlag für eine Reform von Dublin-III verabschiedet habe, „der unseren Interessen widerspricht und auch vom ursprünglichen Vorschlag der Kommission abweicht.“ Es gebe aber noch keine Einigung, ein endgültiger Reformvorschlag müsse nun zwischen EP, Kommission und Rat abgestimmt werden. „Dass wir die Pläne des EP zur Reform von Dublin-III ablehnen, haben wir (CSU, Anm. d. Red.) erst kürzlich bei unserer Klausurtagung in Seeon in unserem Europapapier beschlossen.“ Eine Entscheidung darüber dürfte also noch dauern. Im Landkreis Pfaffenhofen sind gegenwärtig 114 Personen mit subsidiärem Schutz registriert, also Personen, die potenziell Anspruchsberechtigte in Sachen Familiennachzug sind. In welchen Gemeinden diese ansässig sind, darf das Landratsamt aus Datenschutzgründen nicht bekannt geben. Familenzusammenführungen gab es allerdings bereits. Das Bundesinnenministerium hat die Möglichkeit, bestimmten ausgewählten Schutzsuchenden, sogenannte Resettlement-Flüchtlinge, eine Aufnahmezusage zu erteilen.

 

 

Neue Wege beim Bauen

„Solche Aufnahmeprogramme wurden in der Vergangenheit vom Bund auch schon aufgelegt“, sagt ein Sprecher der Kreisbehörde. Das Bundesinnenministerium entscheide zusammen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den zuständigen deutschen Auslandsvertretungen welche Personen über ein solches Programm aufgenommen würden. „Das Landratsamt erfährt von dieser Zusage immer erst nach Erteilung der Visa. Diese Personen erhalten nach der Einreise von uns einen humanitären Aufenthaltstitel. Derzeit haben wir im Landkreis sechs Fälle mit 23 Personen, die über ein Aufnahmeprogramm einreisten. Es handelt sich hier aber nicht um einen Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Anerkannten.“ Unabhängig davon sind im Landkreis Pfaffenhofen „derzeit 373 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und zehn Personen mit einer Asylberechtigung im Sinne des Grundgesetzes“, so der Kreisbehörden-Sprecher. Im Jahr 2017 sei mit einem Zuzug von insgesamt 33 Familienangehörigen in zwölf Fällen der Familiennachzug realisiert worden. „Die Anzahl der gestellten Anträge auf den Familiennachzug von dem genannten berechtigten Personenkreis ist ein um vielfaches höher.“ Über diese Anträge sei zumeist aber noch nicht entschieden, da die Wartezeiten auf einen Termin bei der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung sehr lange seien.

„Da die Anträge aber stets fristwahrend gestellt wurden, ist hier ein weiterer Familiennachzug zu erwarten. Wie viele Personen nachziehen möchten, kann allerdings auch von uns nicht abschließend eingeschätzt werden.“ Bisher sei es stets gelungen, durch eine Bündelung aller Kräfte die Familiennachzügler unterzubringen. „Im Hinblick auf die Wohnungsknappheit bleibt der Bereich eine besondere Herausforderung“, meint der Sprecher des Landratsamtes mit vorsichtiger Zurückhaltung.

 

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